53 Welche Rolle übernahm der neu gegründete Senat? Joachim Treusch Ein hochrangiger Senat konnte sowohl Anfeindun- gen von außen als auch den politischen Druck etwas weg- dämpfen durch das Renommee der in diesem Gremium sitzen- den Leute. Wir waren überzeugt davon, dass sie die Qualität der Zentren erkennen würden. Der Senat hat dann zweimal im Jahr getagt. Er bekam von uns einen Bericht und diskutierte diesen, benannte die Gutachtergremien für den Strategiefonds, ließ sich über die Ergebnisse der Begutachtungen berichten und ent- schied darüber. Der Übergang zur Programmorientierten Förde- rung, die im Gegensatz zum Strategiefonds alle Mittel der Zentren in den Wettbewerb stellte, kam erst nach meiner Zeit. 1997 verließen Sie den Posten als Vorsitzender der Helmholtz- Gemeinschaft. War das ein von ihnen gewähltes Datum? Joachim Treusch Nein, das war das beschlossene Ende meiner Amtszeit, die wegen der Gründung der Helmholtz-Gemeinschaft statt der üblichen zwei auf fünf Jahre verlängert worden war. Ich hatte aber früh deutlich gemacht, dass ich den Weg zu einer stärkeren Zentralisierung mit einem letzten Endes hauptamtli- chen Präsidenten zwar begleiten würde, selbst jedoch für dieses Amt nicht zur Verfügung stände. Ich fand das damals völlig rich- tig und finde das auch heute noch. Und wie wurde die Nachfolge geregelt? Joachim Treusch Es war meine Aufgabe, mit dem Richtigen zu reden, ihn zu überzeugen und der Mitgliederversammlung vor- zustellen. Und wie würden Sie aus heutiger Sicht Ihre Rolle als Wegberei- ter und Gründungsvorsitzender der Helmholtz-Gemeinschaft ein- ordnen? Joachim Treusch Das war sicherlich die größte Gestaltungsaufgabe, die ich in meinem Leben hatte. War damit auch eine forschungspolitische Vision verbunden? Joachim Treusch Primär für uns war der Leidensdruck der immer wieder erfahrenen Missachtung der Fähigkeiten der Großfor- schung und zudem natürlich der finanzielle Druck. Wir wussten alle, dass wir weit besser sind als unser Ruf. Dies wollten wir einem prominenten Senat mit einem organisierten internen Wettbewerb beweisen. Die Idee war damals, einen Strategie- fonds von fünf Prozent zu gründen, d. h. jedes Zentrum gibt fünf Prozent seiner Mittel in einen zentralen Topf. Um diese Mittel wird ein Wettbewerb entfacht und dann scheidet sich die Spreu vom Weizen. Das war eine typische Physikeridee, an deren Wirksamkeit ich noch heute glaube, aber sie war dauer- haft weder der Politik noch den anderen externen Akteuren vermittelbar. Die meinten, man könne nur über einen viel größe- ren Zugriff wirksam steuern. Wenn man wie Sie Vorsitzender eines großen Zentrums war, lief dies dann automatisch darauf hinaus, dass Sie auch die Leitung der Arbeitsgemeinschaft übernehmen? Joachim Treusch Der Vorsitzende wurde nach Vorabsprachen für zwei Jahre gewählt. Es gab hierbei keine Präferenz der großen Zentren. In der Zeit, die ich überschaue, waren die kleinen und mittelgroßen Zentren sogar häufiger im Vorsitz vertreten als die drei großen Zentren. Sie waren dann der erste Vorsitzende der neuen Gemeinschaft. Joachim Treusch Ich war Gründungsvorsitzender der neu benannten Helmholtz-Gemeinschaft. Aber es war klar, dass wir bald den Sprung von der Gemeinschaft zum eingetragenen Verein mit einem Präsidenten würden machen müssen. Ebenso klar war, dass das BMBF jetzt eingebunden werden musste. Das geschah am Tage nach der Ringberg-Sitzung und stieß in der Spitze des Ministeriums auf Beifall, weil insbesondere der für uns zustän- dige Staatssekretär Gebhard Ziller verstand, dass eine Stärkung der Großforschung das Ministerium stärken würde. Im Grunde stärkte die Entwicklung zur Helmholtz-Gemeinschaft auch die Autonomie der Großforschungseinrichtungen. Nach der Gründung waren Sie zwei Jahre Vorsitzender der Gemeinschaft. Was waren die wichtigsten Entwicklungen in dieser Zeit? Joachim Treusch In den zwei Jahren wurde zum einen die Program- matik mit den noch heute gültigen sechs Schwerpunkten in der Forschung formuliert: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Luftfahrt, Raumfahrt und Verkehr, Schlüsseltechnologien und Struktur der Materie. Der Strategiefonds wurde entwickelt, der Senat wurde gegründet und von der Mitgliederversammlung bestätigt und in die Ideen der Programmatik und des Strategie- fonds eingebunden.