Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

Festschrift der Helmholtz-Gemeinschaft

27 eines Großforschungszentrums in Dresden-Rossendorf kam es letztlich dennoch nicht, was in hohem Maße den (wirtschaft- lichen) Unwägbarkeiten und der politischen Problematik der Übernahme einer Kernforschungsanlage und nicht zuletzt den damit verbundenen radioaktiven Altlasten geschuldet war. Erst nach dem erfolgreichen Abschluss des Rückbaus der For- schungsreaktoren und anderer kerntechnischer Anlagen und nachdem auch der Standort Rossendorf sein wissenschaftliches Profil verbreitert und gestärkt hatte, wurde dann schließlich doch noch der Weg frei, diese klassische Großforschungsein- richtung der DDR in die Gemeinschaft der Großforschungsein- richtungen aufzunehmen – allerdings erst nach einem längeren Interludium. Seit 2011 existiert das Helmholtz-Zentrum Dres- den-Rossendorf (HZDR), das in den zwei Jahrzehnten zuvor als Forschungszentrum der Blauen Liste bzw. der Wissenschafts- gemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz, heute Leibniz-Gemein- schaft (WGL), weitergeführt worden war. In diesen 20 Jahren wurde der traditionelle kernphysikalische Forschungsfokus sukzessive durch Schwerpunkte in der Materialforschung – unter anderem mit der Einrichtung eines Hochfeld-Magnetlabors und verschiedener Hochleistungs-Strahlenquellen – und den Lebenswissenschaften, insbesondere der Krebsforschung, ergänzt und für ein Helmholtz-Zentrum „passfähig“ gemacht. Das Großforschungszentrum in Rossendorf war so im Umbau- plan des Wissenschaftsrats zur außeruniversitären Forschung vom Sommer 1991 noch nicht enthalten.64 Statt Dresden kam dessen alte Rivalin Leipzig zum Zuge und wurde Standort eines Umweltforschungszentrums.65 Dieses nahm zum Jahres- wechsel 1991/92 seine Tätigkeit auf. Bei seiner Gründung haben neben wissenschaftlichen Motiven auch forschungspoliti- sche und regionale Gründe eine wichtige Rolle gespielt. Regional war der Raum Leipzig-Halle durch eine (veraltete) chemische Industrie, aber auch durch einen extensiven Braunkohlenabbau geprägt. Daraus resultierten eine hohe Umweltbelastung und ein großer Bedarf an Bodensanierung, mithin Probleme, die von immenser gesellschaftlicher Brisanz waren und eine umgehende Lösung erforderten. Wissenschaftlich verfügte Leipzig über eine hohe Dichte an Forschungsinstituten, namentlich das Zentralins- titut für Isotopen- und Strahlenforschung der Akademie, deren Umstrukturierung bzw. Abwicklung anstanden und die nicht zuletzt über eine hohe Kompetenz im Bereich der chemischen Analytik, aber auch in der Ökologie und den Landwirtschafts- wissenschaften verfügten. Aus diesem Gründungscluster ent- wickelte sich dann ein Großforschungszentrum für Umweltfor- schung, das die Erforschung der „komplexen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt in genutzten und gestörten Land- schaften, insbesondere dicht besiedelten städtischen und indus- triellen Ballungsräumen sowie naturnahen Landschaften“ ins Zentrum seiner Tätigkeit rückte. In den Diskussionen um die Etablierung der AGF in den neuen Bundesländern spielte der Komplex von medizinisch-biologi- schen Akademieinstituten in Berlin-Buch eine zentrale Rolle. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhundert waren in diesem Berliner Vorort mehrere Kliniken angesiedelt worden, und 1930 wurde Buch Standort des neu gegründeten Kaiser-Wilhelm-Instituts für Hirnforschung, das nicht nur für die moderne Hirnforschung Pio- niercharakter besaß, sondern sich auch als Zentrum der frühen molekularbiologischen Forschung profilierte. In der Nachkriegs- zeit wurden das KWI, das im Nationalsozialismus tief in das infame Euthanasieprogramm verstrickt gewesen war,66 zusam- men mit einigen Kliniken in ein Institut für Medizin und Biologie der Deutschen Akademie der Wissenschaften überführt. Buch konnte sich so in den folgenden Jahren „in der Einheit von Grundlagenforschung und Klinik“ zu einem international aner- kannten Standort für die Krebs- und Herz-Kreislauf-Forschung sowie die molekularbiologische Forschung entwickeln, der den klinischen mit dem Forschungsbereich fast modellhaft ver- knüpfte.67 Ende der 1980er Jahre waren hier in drei Zentralinsti- tuten der Akademie – „für Molekularbiologie“, „für Krebsfor- schung“, „für Herz-Kreislauf-Regulationsforschung“ – und zwei Forschungskliniken mit fast 300 Betten etwa 1.600 Mitarbeiter, davon knapp 1.000 Wissenschaftler und Ärzte, beschäftigt. Daraus wurde dann nach der deutschen Wiedervereinigung das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch geformt, das im Dezember 1992 seine Tätigkeit mit weniger als 1.000 Mitarbeitern aufnahm. Zum Gründungs- direktor wurde der Heidelberger Pharmakologe und Blut-Hoch- druck-Forscher Detlev Ganten berufen, der die Hauptaufgabe des MDC darin sieht, „moderne medizinische und klinische Forschung im Verband von molekularbiologischen, zellbiologi- schen und physiologischen Methoden zu betreiben“.68 Die dritte Neugründung einer Großforschungseinrichtung in den neuen Bundesländern erfolgte in Potsdam.69 Dort hatte sich auf dem Telegraphenberg seit dem ausgehenden 19. Jahrhun- dert – neben dem Astrophysikalischen Observatorium mit dem weltbekannten Einstein-Turm – ein Komplex von geowissen- schaftlichen Forschungsinstitutionen angesiedelt, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der Regie der Akademie der Wissenschaf- ten betrieben wurden und den größten Forschungskomplex der DDR auf diesem Gebiet bildeten – mit international anerkannten Forschungsleistungen. Die Evaluation der Potsdamer Institute durch den Wissenschaftsrat machte zwar die großen Defizite in Forschungsorganisation und materieller Ausstattung deutlich, doch stellte sie auch die bemerkenswerte Vernetzung von Geo- däsie, Geophysik, Geologie, Geochemie und experimenteller Mineralogie in der geowissenschaftlichen Forschung der DDR und namentlich auf dem Potsdamer Telegrafenberg heraus. Dies legte die Schaffung einer potenten Institution für Planung, Koordinierung und Trägerschaft von Gemeinschaftsaufgaben geowissenschaftlicher Grundlagenforschung nahe. Der Neuord- nungsplan für die Potsdamer Institute folgte dann auch dieser Idee und entwickelte ein Konzept für eine multidisziplinäre, geo- wissenschaftliche Großforschungseinrichtung, das als Institut

Seitenübersicht