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Festschrift der Helmholtz-Gemeinschaft

21 Vorsitzende des Ausschusses, Ernst- Joachim Meusel, trat die Flucht nach vorne an und lud seine Administratoren- kollegen zu einem Treffen ein, das die Grundlinien für die geplante Arbeitsge- meinschaft entwerfen sollte. Um ihm hin- reichende Schlagkraft zu verleihen, sollte diese nun auf die Großforschungszentren reduziert werden. Vor allem aber galt es, erstmals auch die wissenschaftlichen Leitungen in die Reformoffensive ein- zubinden. Der Regierungswechsel zur Sozialliberalen Koalition im Herbst 1969 beschleunigte den Prozess, kündigte doch der neue Bundesfor- schungsminister Hans Leussink an, Leitlinien zum Verhältnis von Großforschung und Staat erarbeiten zu wollen. Und in der Tat ergriff das nun als Bundesministerium für Bildung und Wissen- schaft (BMBW) firmierende Forschungsressort die Initiative und lud für den 13. November 1969 zu einer Besprechung der grundsätzlichen Probleme der Großforschung. In dieser ausge- sprochen turbulenten Sitzung sah sich die Ministerialbürokratie mit heftigen Protesten gegenüber der für den Jahresbeginn 1970 geplanten Einführung neuer Satzungen und neuer Bewilli- gungsbedingungen konfrontiert. Das BMBW kündigte an, staat- lichen Dirigismus durch partnerschaftlich erstellte Leitlinien zu ersetzen und ermutigte die Zentren, eigene Vorschläge zu erarbeiten. Die Zentren nahmen die Ministerialbürokratie beim Wort und konzipierten noch am selben Abend eine in Forschungs-, Perso- nal- und Finanzfragen eigenverantwortliche Großforschung. Unter der Führung des agilen Ausschussvorsitzenden und IPP- Verwaltungsdirektors Meusel versammelten sich die Vorstände der zehn Großforschungseinrichtungen vom 28. bis 30. Januar 1970 zu einer Klausurtagung auf dem Dobel bei Bad Herrenalb nahe Karlsruhe. Die Sitzung verlief lebhaft und kontrovers, aber getragen vom „‚Wir-Gefühl‘ einer verschworenen Gemein- schaft“ einigten sich die Teilnehmer am Ende auf die „Dobeler Thesen“ zum Verhältnis von Staat und Großforschung.39 Diese wurden dann weitgehend in die „Leitlinien des BMBW zu Grund- satz, Struktur- und Organisationsfragen von rechtlich selbständi- gen Forschungseinrichtungen“ übernommen, die Leussinks Ressort im November 1970 bzw. Juli 1971 verabschiedete. Das zweite wichtige Resultat der Dobeler Klausurtagung war die Gründung der Arbeitsgemeinschaft der Großforschungseinrich- tungen mit dem Ziel, die Großforschung als eigenständige Säule im bundesdeutschen Wissenschafts- und Innovationssystem zu etablieren. Meusel sollte die Gründungsmotive später in der „Abwehr ungerechtfertigter staatlicher Ingerenz“ und im „An- spruch auf wissenschaftliche Selbstverantwortung“ verorten.40 Als nicht rechtsfähiger Verein war der Dachverband strukturell ein vergleichsweise schwach entwickeltes Gremium verbands- politischer Interessenvertretung. Zwar war die Mitgliedschaft nun homogen, bestand sie doch ausschließlich aus den damals zehn Großforschungseinrichtungen. Das Mandat war jedoch in doppelter Weise erheblich eingeschränkt. Erstens blieben die Befugnisse der Organe der Mitgliedseinrichtungen von der AGF-Gründung unberührt. Die Zentren waren auf allen Ebenen nach wie vor selbstständige Gesellschaften, und diese waren in der Praxis kaum bereit, maßgebliche Kompetenzen an die Arbeitsgemeinschaft abzugeben. Da sich die Mitgliedschaft nur auf die Geschäftsführungen und Vorstände bezog, waren zwei- tens die Beschlüsse der Arbeitsgemeinschaft für die Aufsichts- gremien der Zentren und schon gar nicht für die in diesen ver- tretenen Zuwendungsgeber bindend. Gleichwohl, mit den Dobeler Thesen und der Gründung der AGF war die bundesdeutsche Großforschung erstmals positiv begründet und ihre Identität als eigenständiger Typus außer- universitärer Forschung konzeptionell und institutionell ver- festigt. An der Wende zu den 1970er Jahren trat die Großfor- schung in Deutschland in eine neue Entwicklungsphase ein. In den während der Gründerjahre der Atomenergiewirtschaft errichteten Kernforschungseinrichtungen liefen die Forschungs- projekte der ersten Stunde aus, und es begann die Suche nach zukunftsfähigen Programmen, die sich als Phase der Diversifi- zierung beschreiben lässt. Mit der Informatik, der Gesundheits- forschung, den Biowissenschaften und der Umweltforschung schoben sich jene Forschungs- und Technologiefelder in den Vordergrund, auf die sich in den folgenden beiden Jahrzehnten die Hoffnungen von Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit gleichermaßen fokussieren sollten. Damit einher ging eine Gewichtsverlagerung von der Grundlagenforschung zur ange- wandten Forschung, dem auf der politischen Ebene der Wech- sel des Governance-Regimes von der Wissenschafts- und Forschungspolitik zur Technologie- und Innovationspolitik ent- sprach. Im diskursiven Feld des „Technologietransfers“, der „Patentverwertung“ und des „Gründerzentrums“ sollten sich die Großforschungszentren nun mit einer Nützlichkeitsdebatte konfrontiert sehen, die sie vor neue Herausforderungen stellte und sie sowie die Akteure in Politik und Wirtschaft zu neuen forschungskonzeptionellen, finanzpolitischen sowie institutio- nellen Arrangements führte. 4. Die AGF in den 1970er und 1980er Jahren Die neugeborene Arbeitsgemeinschaft war ein wenig geliebtes Baby, selbst bei Teilen seiner Elternschaft. Die Aufbruchstim- mung der Dobeler Klausurtagung verflog rasch und wich einer institutionellen Kultur, die den Föderalismus betonte und tiefe Skepsis gegenüber jeglichem Zentralismus hegte. Drei Beispiele mögen hier genügen, um die föderative Orientierung der Arbeitsgemeinschaft zu demonstrieren: Erstens: Hatte man sich auf dem Dobel noch darauf geeinigt, bindende Beschlüsse mit

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