38 den Fusionsplan umzusetzen, der eine wissenschaftspolitische Sensation bzw. Revolution darstellt, denn der Bund kooperiert dabei erstmals direkt mit einem Bundesland. In dieser Zeit mussten schwierige juristische und finanzrechtliche Probleme bewältigt werden, denn aus verfassungsrechtlichen Gründen war es dem Bund untersagt, sich an der Finanzierung einer Hochschule zu beteiligen. Dies bedeutete, dass die Zuwendun- gen von Bund und Land weiterhin getrennt zu führen und zu bilanzieren sind. Weiterhin musste die Zusammenlegung der Verwaltung beider Institutionen bewältigt werden und die Ein- bindung der Mitarbeiter in den Gründungsprozess erfolgen, vor allem aber waren zwei Forschungsstrukturen zu vereinen und höchst unterschiedliche Missionen und Forschungsmentalitäten – Helmholtz programmorientierte Forschungsfinanzierung und die freie universitäre Forschung – unter einen Hut zu bringen, um so die Schaffung einer gemeinsamen Identität zu realisieren. All dies geschah vergleichsweise schnell und wurde sehr prag- matisch umgesetzt, sodass – nachdem die zuständigen Bundes- und Landesministerien im Februar 2008 den Fusionsplänen endgültig zugestimmt und damit Neuland beschritten werden konnte – am 1. Oktober 2009 das Karlsruher Institut für Techno- logie (KIT) seine Tätigkeit aufnehmen konnte. Mit nunmehr über 8.000 Mitarbeitern und einem Jahresetat von 700 Millionen Euro wurde das KIT zur größten eigenständigen Wissenschafts- einrichtung Deutschlands, von der national wie international eine Signalwirkung ausging.106 International wurde das KIT als ein ernstzunehmender Konkur- rent im globalen Forschungswettbewerb wahrgenommen, nicht zuletzt von den US-amerikanischen Eliteuniversitäten oder der ETH Zürich. National sah man es als eine in die Zukunft wei- sende Neuerung bzw. Ergänzung des deutschen Wissenschafts- systems und nicht zuletzt als ein probates Mittel, gegen dessen vielfach beschworene Versäulung anzugehen. Es gab aber auch Kritiker, die im KIT ein Mammutinstitut sehen, das wegen seiner schieren Größe zu träge auf wissenschaftliche Herausforderun- gen reagiere und kaum optimal steuerbar sei. Darüber hinaus erzeugte das KIT aber auch Ängste und Anfeindungen bei Uni- versitätsvertretern, denn Bundesforschungsministerin Annette Schavan hatte das neue Forschungszentrum als Vorbild für die deutsche Wissenschaftslandschaft bezeichnet: „Das KIT wird in dieser Form solitär bleiben, es hat jedoch Pilotfunktion für andere Universitäten und Forschungseinrichtungen“.107 In der politisch forcierten und großflächigen Zusammenführung von universitärer und außeruniversitärer Forschung witterte man so das forschungspolitische Zukunftskonzept, das dem deut- schen Wissenschaftssystem über kurz oder lang aufgezwungen werden würde. Nahrung erhielten solche Befürchtungen nicht nur durch ministerielle Statements, sondern auch durch Diskus- sionen, die im Zusammenhang mit der KIT-Gründung in Berlin um die Bündelung der Forschungen des Max-Delbrück-Centrums mit der Charité geführt wurden und im Sommer 2013 auch zur Gründung des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung (BIG) führten. Das neue Institut soll die klinische Forschung der Charité und die molekular- und systembiologische Expertise des MDC zusammenführen. Für Bundesforschungsministerin Johanna Wanka war die Gründung „ein wichtiger Schritt in der deutschen Gesundheitsforschung und ein Baustein für die Zukunftsfähigkeit unseres Gesundheitssystems“. Auch an den Helmholtz-Standorten in Dresden und Potsdam entwickelten sich mit Blick auf die Gründung des KIT Diskussio- nen um eine engere und kostensparende Verbindung von außer- universitären Instituten und den Universitäten vor Ort. Aller- dings kam es (bislang) zu keinen sichtbaren Konsequenzen, wie überhaupt die befürchtete Kettenreaktion von Fusionen aus- blieb. Dazu hat vielleicht auch das Schicksal des BIG beigetra- gen – obwohl offiziell gegründet, konnte es bisher nicht rechtlich abgesichert werden, und im Frühjahr 2013 stand das Projekt sogar überraschend vor dem Scheitern. Das BIG hat so seinen Forschungsbetrieb noch nicht aufnehmen können, und man erhofft dies für das Jahr 2015. Insgesamt scheint es offenbar Erste Pressekonferenz nach der Amtsübernahme von Präsident Jürgen Mlynek, November 2005. Foto: Helmholtz-Gemeinschaft Helmholtz-Jahrestagung 2005: Seit 2005 finden die jährlichen Treffen der Gemeinschaft mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Berlin statt. Foto: Helmholtz-Gemeinschaft/D. Ausserhofer Die Helmholtz-Gemeinschaft in historischer Perspektive