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Festschrift der Helmholtz-Gemeinschaft

9 Die Großforschung zählt zu den wichtigsten Neuerungen des bundesdeutschen Wissenschafts- und Innovationssystems. In den ressourcenintensiven, auf Großgeräten basierenden For- schungsfeldern der Kernenergie und der Hochenergiephysik, daneben auch in der Luft- und Raumfahrt, entstanden ab Mitte der 1950er Jahre zahlreiche Großforschungseinrichtungen, nachdem mit der Souveränität der Bundesrepublik die alliierten Forschungsverbote auf diesen Gebieten aufgehoben waren.1 Im Verlauf der 1960er und 1970er Jahre kamen weitere Zentren, nun auch in der biologischen und medizinischen Forschung sowie der Informatik, hinzu, die sich zu einer eigenen institutio- nellen Säule des bundesdeutschen Wissenschaftssystems verbanden. Im forschungspolitischen Dauerkonflikt zwischen föderaler und zentralstaatlicher Kompetenz wurde die Groß- forschung dabei zu der wichtigsten Stütze des Bundes beim Ausbau seiner Handlungsmöglichkeiten auf Kosten der Länder und institutionell zur quantitativ größten Forschungsinstitution im bundesrepublikanischen Wissenschaftssystem. Ihre Größe führte die Großforschungseinrichtungen, die 1970 eine Arbeits- gemeinschaft der Großforschungseinrichtungen (AGF) gebildet hatten, aber in den 1980er Jahren in eine tiefe Krise, die Diskussionen um den Standort und die Zukunft der Großfor- schung in Deutschland auslöste. Dabei war sowohl die Frage von wissenschaftlicher Autonomie und staatlicher Lenkung als auch von Zentralität und Dezentralität besonders umstritten. Mit der deutschen Wiedervereinigung wurde das Spektrum der Großforschung zwar noch einmal in quantitativer und qualitativer Hinsicht erweitert, doch wurde zugleich ein Wand- lungs- und Reformprozess in Gang gesetzt, der sich nicht nur in der Umbenennung in Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren ausdrückt, sondern zu einer forschungs- politischen Neuausrichtung und zu einer modernen und DIE HELMHOLTZ-GEMEINSCHAFT IN HISTORISCHER PERSPEKTIVE Dieter Hoffmann und Helmuth Trischler Der folgende wissenschaftshistorische Essay gibt einen Überblick zur Entwicklung der Großforschung, ihrer Akzeptanz und ihres Selbstverständnisses sowie der Institutionalisierungsformen in Deutschland. In seinem Fokus steht die Integration der Großforschung in das deutsche Wissenschafts- und Innovationssystem, von der Gründung der ersten Kernforschungs- einrichtungen Mitte der 1950er Jahre über die 1970 gegründete Arbeitsgemeinschaft der Großforschungseinrichtungen bis zur Wandlung in die heutige Helmholtz-Gemeinschaft. Diese erhielt 1995 ihren Namen und konnte sich in den folgenden 20 Jahren von einem im zeitgenössischen Urteil „trägen Tanker“ zu einer modernen und dynamischen Forschungsgemein- schaft profilieren, die im deutschen Wissenschaftssystem nicht nur als quantitativ größte Forschungseinrichtung eine zentrale Rolle einnimmt. dynamischen Forschungsorganisation führte, die heute im deutschen Wissenschafts- und Innovationssystem nicht nur wegen ihrer schieren Größe zu den Meinungsführern und Schrittmachern gehört. 1. Großforschung im Überblick: Anfänge und definitorische Eingrenzung Die Suche nach den Anfängen der Großforschung beginnt meist mit dem Manhattan Project. Die Erforschung, die Entwick- lung und der Bau der ersten US-amerikanischen Atombomben – fat man und little boy wurden Anfang August 1945 auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen – verschlangen in den Jahren 1942 bis 1945 die gewaltige Summe von mehr als einer Milliarde US-Dollar. In den quer über die USA verteilten Forschungs- und Versuchseinrichtungen des Manhattan Project waren zeit- weise rund 250.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter damit beschäftigt, mit einem nie gekannten Maß an zentraler Planung und Steuerung ein wissenschaftlich-technisches Problem zu lösen. Aus dem Manhattan Project ging nach dem Zweiten Welt- krieg eine ganze Reihe von Forschungseinrichtungen hervor, die nun als Nationallaboratorien bezeichnet wurden, darunter das Militärforschungszentrum von Los Alamos ebenso wie die Kernforschungseinrichtungen von Argonne, Brookhaven und Oak Ridge.2 Ähnliches gilt für deren europäische Schwester- institute im britischen Harwell und im französischen Saclay, während in Deutschland alliierte Demontagen und Forschungs- verbote einen institutionellen Bruch bewirkten. Die Kernfor- schungszentren in Karlsruhe, Jülich und Geesthacht mussten daher nach dem Ende der alliierten Forschungsverbote im Jahr 1955 auf der grünen Wiese neu errichtet werden.

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