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Festschrift der Helmholtz-Gemeinschaft

36 Innovationssystems ganz wesentlich und nachhaltig gesteigert werden konnte. Dies erfolgte im Übrigen um den Preis, dass die Helmholtz-Gemeinschaft in einem weit stärkeren Maße als die anderen institutionellen Forschungssäulen der Bundesrepu- blik wissenschaftlicher Partner der Politik ist, denn bei der Auf- stellung der Programmvorhaben sitzt diese ja immer mit „am Tisch“ – und dies keineswegs als Juniorpartner. Wissenschaftler, aber auch Institutionen wie die Max-Planck-Gesellschaft haben in diesem Zusammenhang immer wieder von der Gefährdung der Freiheit der Forschung gesprochen. Dem wurde seitens der Politik, aber auch durch maßgebliche Vertreter der Gemein- schaft vehement mit dem Hinweis widersprochen, dass die politikgeleitete Implementierung der Programme stets unter maßgeblicher Mitwirkung der Wissenschaft geschieht und die Ausfüllung des so definierten Forschungsrahmens wissen- schaftsgeleitet und autonom erfolgt. In der ersten Runde der Programmorientierten Förderung, die die Jahre 2004/05 bis 2008/09 umfasst, wurden von den damals 16 Forschungszentren 30 Forschungsprogramme entwi- ckelt und etabliert, die im Wettbewerb von einem renommierten internationalen Gutachtergremium auf ihre wissenschaftliche Exzellenz und strategische Relevanz evaluiert und ausgewählt wurden. In der zweiten Programmperiode, die 2009 begann, waren es dann weitere 13 neue Programme.99 Ein Beispiel solch strategischer Neuausrichtung und Bündelung der Forschungsak- tivitäten ist das Engagement der Helmholtz-Gemeinschaft bei der Erforschung von Volkskrankheiten. Vor Einführung der Programmorientierten Förderung bestand auf diesem Gebiet eine gravierende Forschungslücke im Bereich der Infektionsfor- schung. Diese wurde im Rahmen der strategischen Begutach- tung identifiziert und ein Prozess zur verstärkten Bearbeitung dieses Bereichs angeregt. Die GBF in Braunschweig, bislang auf biotechnologische Forschung zur Lösung biomedizinischer Pro- bleme und auf Umweltbiotechnologie zum Schutz und zur Sanie- rung der Umwelt fokussiert, nahm die Anregung auf und zog sich sukzessive aus ihren bisherigen Forschungsprogrammen zurück, um ihre Forschungskompetenzen auf das Programm Infektion und Immunität zu fokussieren. Damit konnte man sich erfolgreich von einem biotechnologisch orientierten Standort zu einem international anerkannten Forschungszentrum für Infekti- onskrankheiten entwickeln, das sich im Zuge der Reorganisation in Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung umbenannte und heute auf diesem Gebiet zu den Top 15 der Welt zählt.100 Kooperation und Konkurrenz, Leitmotiv der Programmorientier- ten Förderung, werden häufig als sich ausschließende Hand- lungsmuster beschrieben. Gerade die Dynamik der modernen Wissenschaft wird verbreitet auf Wettbewerb zurückgeführt. Bei näherer Betrachtung zeigt sich die Wissenschaft freilich als ein Bereich von Gesellschaft, in dem Kooperation und Konkur- renz fast unauflöslich miteinander verbunden sind. Selbst in Konkurrenzkonstellationen ist meist die Einbindung der Wissen- schaftler in kooperative Strukturen unabdingbar, zumal sich Kooperation schon aus epistemischen Gründen mittelfristig als die bessere Alternative erweist. Welcher Handlungsmodus überwiegt, ist situativ variabel und historisch wandelbar. Kurzum, die Balance von Kooperation und Wettbewerb muss stets neu austariert werden. Diese Notwenigkeit galt auch für die Helmholtz-Gemeinschaft zu Beginn der Jahrtausend- wende, als Kooperationen zwischen den am Markt der For- schung häufig miteinander konkurrierenden Helmholtz-Zentren durch die Einführung der Programmsteuerung gestärkt und kohärenter werden und damit Kooperation und Wettbewerb Spitzenleistungen befördern sollten. Für diesen Neuansatz in Strategie und Finanzierung der Forschung hat ebenfalls das Jahr 2001 eine weitere Vorausset- zung gebracht, in dem – bei formaler und juristischer Beibehal- tung der damaligen 16 Forschungszentren – die Helmholtz- Gemeinschaft ihre Forschungsaktivitäten in sechs Forschungs- bereiche101 gliederte: – Energie – Erde und Umwelt – Gesundheit – Schlüsseltechnologien – Struktur der Materie – Verkehr und Weltraum Sieht man vom Forschungsbereich Verkehr und Weltraum einmal ab, der allein vom DLR bestritten wird, so kooperieren in allen Forschungsbereichen immer mehrere Forschungszentren, was auch die Vernetzung der Zentren befördern und die Identitätsfin- dung der Gemeinschaft stärken sollte. Neben der Industrie und Wirtschaft sind die Hochschulen und Universitäten der Bundesrepublik besonders wichtige Koopera- tionspartner der Helmholtz-Gemeinschaft bzw. der einzelnen Helmholtz-Zentren. Eine solche Zusammenarbeit gibt es seit Gründung der Großforschungseinrichtungen in den 1950er Jah- ren, waren doch einige aus universitären Einrichtungen hervor- gegangen; auch haben gerade die Universitäten maßgeblich zum raschen Ausbau der Großforschungszentren beigetragen. Für die beiden letzten Jahrzehnte lässt sich eine bedeutende Erweite- rung der Kooperation hinsichtlich ihrer Intensität und Tiefe kon- statieren. Dabei hat sich ein ungewöhnlich breites Spektrum an Kooperationen herausgebildet. Dieses umfasst sowohl gemein- sam betriebene Forschungsprojekte oder die Beteiligung von Helmholtz-Wissenschaftlern an Sonderforschungsbereichen und Exzellenzclustern sowie die intensive Nutzung von Infrastruktur, namentlich der Großgeräte der Helmholtz-Zentren durch univer- sitäre Arbeitsgruppen, als auch gemeinsame Berufungen von leitenden Wissenschaftlern sowie ein umfangreiches Engage- ment von Helmholtz-Forschern in der universitären Lehre und Ausbildung. So sind mehr als die Hälfte der C-Stellen an den Die Helmholtz-Gemeinschaft in historischer Perspektive

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