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Helmholtz Perspektiven 0915

34 Helmholtz Perspektiven September – Oktober 2015 FORSCHUNGSPOLITIK Koalitionsfraktionen die Zahl der extrem kurzen Befristungen in den vergangenen Jahren als unerträglich. Finden Sie es richtig, wenn sich Nachwuchswissen- schaftler von einem Drei-Monats-Vertrag zum nächsten hangeln müssen? Mit Kurzverträgen sollten wir aufräumen. Jemanden immer wieder für drei Monate zu verlängern, ist unwürdig und muss abgestellt werden. Die Frage nach Befris- tung oder Entfristung ist für mich aber nicht entscheidend, denn die Positionen von Wissenschaftlern sollten nicht zu früh entfristet werden. Das zementiert das System. Ein großer Vorteil des deutschen Systems ist seine Durchlässigkeit, so bleibt es flexibel. Was wir hingegen tun müssen: jungen Menschen eine sehr viel bessere Perspektive geben. Wir müssen helfen, in jedem Stadium der Entwicklung einer Wissenschaftlerin oder eines Wis- senschaftlers klar festzulegen: Welches Ziel möchte ich erreichen? Welche Unter- stützung brauche ich dafür? Und welcher nächste Schritt ist für mich der beste? Wie sehen Sie die Rolle von Helmholtz im Konzert der außeruniversitären Forschungseinrichtungen? Die Besonderheit und die große Stärke der Helmholtz-Gemeinschaft liegen darin, dass wir an unseren 18 Zentren, die alle eine kritische Masse von Disziplinen un- ter ihrem Dach vereinen, wie kaum eine andere Organisation in der Lage sind, bei bestimmten Themen den gesamten Innovationszyklus abzubilden. So können wir beispielsweise in der Krebsforschung auf einer herausragenden Grundlagen- forschung aufbauen. Aber wir bleiben da nicht stehen, sondern versuchen kontinuierlich, Forschungsergebnisse für innovative medizinische Anwendungen zu nutzen und Fragestellungen aus der Me- dizin wieder in die Grundlagenforschung zurückzuspielen. Darin liegt unsere Stärke. Da auch wir nicht alle Facetten der Forschung leisten können, haben wir sehr früh in Partnerschaften mit Universi- täten und Industrie investiert. Im Unter- schied zur Fraunhofer-Gesellschaft, deren Forschung in erster Linie auf die Anwen- dung zielt, wollen wir mit der Industrie schon in der Spätphase der Grundlagen- forschung zusammenarbeiten, um Projekte gemeinsam bis zur Anwendung zu bringen. Um das zu verwirklichen, müssen wir uns immer wieder fragen, ob wir bei unseren Schwerpunktthemen zur internationalen Spitze gehören oder möglicherweise justieren sollten. Und welche Themen halten Sie für die zentralen? Unter anderem die großen chronischen Volkskrankheiten, die Energieversorgung der Zukunft, Belastungen von Klima und Umwelt oder die Informationstech- nologien. Idealerweise sollte sich jedes biomedizinisch ausgerichtete Helmholtz- Zentrum um eine der großen Volkskrank- heiten kümmern und dabei die stärksten nationalen und internationalen Partner in der Medizin, in der Medizintechnik, im Bereich Pharma oder im Bereich IT einbe- ziehen. Unsere amerikanischen Kollegen in der Gesundheitsforschung tun sich enorm schwer, mit Forschern anderer US- amerikanischer Einrichtungen zusam- menzuarbeiten. Das ist in Deutschland anders. Innerhalb der Helmholtz-Struktur sind die Zentren der Motor unserer Forschung und Entwicklung, während die Forschungsbereiche ein ganzes Gebiet strategisch ausrichten. Am Ende ist auch unser Erfolg entscheidend davon abhängig, wie wir die größten Forscher- talente in die Gemeinschaft bringen. Auf nationaler Ebene möchte ich zum Bei- spiel anregen, analog zu den Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung auch Deutsche Zentren der Energieforschung aufzubauen. Wenn man auf das Forschungszentrum Jülich oder das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) blickt, fällt der Wan- Otmar Wiestler wurde am 6. November 1956 in Freiburg (Breis- gau) geboren. Nach dem Medizinstudium an der Universität Frei- burg promovierte er 1984 zum Doktor der Medizin. Von 1984 bis 1987 war er als Postdoktorand im Department für Pathologie an der Universität von Kalifornien in San Diego (USA) tätig. Anschlie- ßend wechselte er an das Universitätsspital Zürich, wo er sich im Fach Pathologie habilitierte. 1992 berief ihn die Universität Bonn zum Professor für Neuropathologie und Direktor des Instituts für Neuropathologie. Hier baute er ein neurowissenschaftliches For- schungszentrum mit auf. Von Januar 2004 bis August 2015 leitete Otmar Wiestler als Vorstandsvorsitzender und Wissenschaftlicher Vorstand das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg, das zu den international führenden Einrichtungen in der Krebsfor- schung zählt. O T M A R D . W I E S T L E R Wiestler war in seiner Laufbahn in zahlreichen Einrichtungen in verantwortlicher Position tätig. Er veröffentlichte mehr als 300 wissenschaftliche Artikel und Buchkapitel in der Fachliteratur und erhielt zahlreiche wissenschaftliche Auszeichnungen. 2001 wurde er zum Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften LEOPOLDINA gewählt. 2004 erhielt er das Bundesverdienstkreuz. Die Ehrendoktorwürde (Dr. h. c.) wurde ihm im Jahr 2012 von der Universität Tübingen und im Jahr 2014 von der Ludwig-Maximili- ans-Universität München verliehen. Von 2007 bis 2012 fungierte er als Vize-Präsident für Gesundheit der Helmholtz-Gemeinschaft. Im September 2015 hat er das Amt des Präsidenten der Helmholtz-Gemeinschaft übernommen. Otmar Wiestler ist verheiratet und hat sechs Kinder.

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