Helmholtz Perspektiven September – Oktober 2015 13TITELTHEMA K L E I N E M A R K I E R U N G , S P E K T A K U L Ä R E E I N B L I C K E Viele Rätsel aus der Tierwelt können Forscher nur lösen, indem sie einzelne Tiere markieren, um so ihre individuellen Aktivitäten nachzuzeichnen. Dabei machen sie Entdeckungen, die ohne die sogenannte Tiertelemetrie undenkbar wären: Auf den Kapverdischen Inseln haben Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel im vergangenen Jahr zusammen mit internationalen Kollegen erstmals die Wege frisch geschlüpfter Unechter Karettschildkröten mithilfe kleiner akustischer Sender verfolgt. Die Tiere sind akut vom Aussterben bedroht. Ihr Leben beginnt mit einem Schwimm-Sprint und einem Ritt auf günstigen Ozeanströmungen. So entkommen sie schnell den Küstengebieten, in denen ihnen Fressfeinde auflauern. Im offenen Ozean wachsen sie über mehrere Jahre heran, ehe sie zur Eiablage an ihren Heimatstrand zurückkehren. „Wissenschaftler nennen die frühe Lebensphase ‚verlorene Jahre’, weil sie die frisch geschlüpften Schildkröten bisher nicht sehr weit verfolgen konnten“, sagt Meeresbiologin Rebecca Scott vom GEOMAR. „Dank neuer Techniken wie den Mini-Sendern und Ozeanmodellen erkennen wir jetzt, wohin die Tiere wandern.“ Je mehr über das Schwimmver- halten und die Verbreitung bekannt ist, desto besser könne diese Art geschützt werden. In Leipzig haben Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung herausgefunden, dass Amseln länger aktiv sind, wenn sie künstlichem Licht ausgesetzt sind. Mehr als 200 Amseln haben die Forscher dazu mit Ringen ausgestattet und aufwendig beobachtet. Die Studie, die im Rahmen des Forschungsverbundes „Verlust der Nacht“ durchgeführt wurde, hatte eindeutige Ergebnisse: Die Amseln, die im Stadtzentrum leben, sind nicht nur wesent- lich früher, sondern auch länger aktiv als ihre Verwandten in dunkleren Stadtvierteln. Die Erkenntnisse deuten darauf hin, dass künstliches Licht die Aktivitätszeiten und damit auch die natürlichen Zyklen von städtischen Amseln stark beeinflusse, urteilen die Forscher. Forscher des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), haben in der Antarktis verschiedene Robbenarten mit Satellitensendern ausgestattet, um ihr Tauchverhalten zu erforschen. Neben Position und Tiefe lieferten die Sender auch physikalische Daten wie Wassertemperatur und Salzgehalt aus schwer zugänglichen Regionen: Manche Tiere tauchen bis zu 2000 Meter unter das teils hunderte Meter dicke Schelfeis. Kamen sie zum Atmen an die Luft, wurden die Daten per Satellit ans AWI übertragen. Dort konnten die Forscher Rückschlüsse auf die räumliche und zeitliche Verteilung besonders produktiver Zonen im Südpolarmeer ziehen. Da die Wassertemperatur in der Region im Zuge des Klima- wandels steigt, müssen die Tiere immer tiefer tauchen. Die nächste Expedition führt AWI-Wissenschaftler zum Jahreswechsel 2015/2016 auf das antarktische „Drescher Inlet“. Logistisch unterstützt vom Forschungseisbrecher Polarstern werden sie auf dem Eisschelf kampieren, um erneut Robben mit Sendern auszustatten.