Helmholtz Perspektiven September – Oktober 2015 21FORSCHUNG Bereits im Rettungswagen muss der Notarzt deshalb entscheiden, ob ein Umweg zu einem Krankenhaus mit Katheterlabor und entsprechen- der Expertise sinnvoll ist. Wenn der Patient nicht ansprechbar ist, können Mediziner das nur mit bildgebenden Verfahren wie der Computertomo- graphie (CT) oder der Magnetresonanztomogra- phie (MRT) ermitteln. „Einige Menschen scheinen nach einem Schlaganfall besser zu regenerieren als andere“ Ein normaler Rettungswagen ist dafür nicht ausge- stattet. Seit 2011 betreibt die Berliner Feuerwehr deshalb gemeinsam mit dem Centrum für Schlag- anfallforschung der Charité das Stroke-Einsatz-Mo- bil, kurz STEMO. „An Bord können wir mit einem mobilen CT bereits eine Diagnose stellen und schon unterwegs mit der Thrombolyse beginnen“, erklärt Oberarzt Martin Ebinger. Er koordiniert die auf Schlaganfall spezialisierten Neurologen bei den Einsätzen und hat viel Erfahrung auf dem STEMO gesammelt. An Bord gibt es auch eine telemedizinische Ausstattung. Darüber können CT- Bilder mit einem Neuroradiologen besprochen und weitere Eingriffe effizient geplant werden. Für die Grundlagenforschung bietet derzeit die chronische Phase des Schlaganfalls während der Regeneration des Körpers die besten Ansätze. „Wir wollen verstehen lernen, welche Effekte die Selbstheilungskräfte des Körpers haben, um die Gehirnschäden zu kompensieren, insbesondere bei einer frühen Mobilisierung oder unter dem Ein- fluss von Antidepressiva“, sagt Matthias Endres. „Die entscheidenden Schäden beim Schlaganfall werden auf molekularer und zellulärer Ebene bereits in den ersten Minuten ausgelöst. So schnell kann ich häufig klinisch gar nicht eingreifen, um das zu verhindern.“ Gemeinsam mit seinem Kolle- gen Holger Gerhardt vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemein- schaft möchte Endres die Regeneration und Ge- fäßneubildung beim Schlaganfall erforschen. Den Wissenschaftler Gerhardt fasziniert, wie sich das Gefäßsystem und die Nervenverbindungen nach einem Hirninfarkt umbauen und neu organisieren, um das abgestorbene Gewebe zu kompensieren – das Phänomen der Plastizität. „Einige Menschen scheinen nach einem Schlaganfall besser zu regenerieren als andere. Bei einem Gefäßverschluss wie beim Schlagan- fall kann das Gefäßnetzwerk dieser Patienten schneller einen Umweg der Blut- und Sauerstoff- versorgung herstellen. Dadurch sind sie bei einem Hirninfarkt besser geschützt. Wir haben heraus- gefunden, dass Endothelzellen, die die Innenwand von Gefäßen auskleiden, in der Lage sind, sich dynamisch zu bewegen und ein Gefäß umzubauen. Hier gibt es genetische Zusammenhänge, die wir uns genau anschauen wollen“, erklärt der Experte für Blutgefäßneubildungen. Für einen molekularen Therapieansatz beim Menschen sei es allerdings noch zu früh. Die Planungen für die Kooperation laufen jetzt an. Drei Wochen liegt der Schlaganfall jetzt zurück. Thomas E. ist in einer Reha-Klinik bei Berlin, er sitzt noch im Rollstuhl. Sprechen konnte er bereits nach drei Tagen in der Charité wieder. Seine schnelle Einlieferung auf die Stroke Unit und die Behandlung mit dem Stent-Retriever haben ihm das Leben gerettet und ihn vor Schlimmerem bewahrt, glaubt er. „Ich bin jetzt zwei Wochen hier und habe schon so viel dazugelernt. Ich konnte vorher gar nichts. Die haben mich hier am Anfang ins Bett gelegt und in den Stuhl gesetzt. Und jetzt gehe ich alleine zur Toilette und stelle mich beim Zähneputzen schon vor das Waschbecken“, sagt er, dann lacht er: „Tanzen kann ich noch nicht wie- der!“ Ob er alle Fähigkeiten vollständig zurückge- winnen wird, weiß er nicht. Aber er weiß, dass die Chancen gut stehen. Maimona Id Was danach passiert Holger Gerhardt erforscht die Gefäßneubildung nach einem Schlaganfall. Bild: David Ausserhofer Lesen Sie, wie Sie einen Schlaganfall erkennen und wie Sie vorbeugen können, unter: www.helmholtz.de/ schlaganfall