Helmholtz Perspektiven September – Oktober 2015 3FORSCHUNG HELMHOLTZ extrem Das dünnste Material Sechseckig, ultradünn Graphen wird von vielen als das neue Wundermaterial gefeiert. Bild: Alexander AlUS/wikimedia Alle Ausgaben von HELMHOLTZ extrem unter: www.helmholtz.de/ extrem Unter den naturwissenschaftlichen Betäti- gungsfeldern ist die Materialforschung eines der weniger glamourösen. Dabei haben manche Materialien das Zeug zum Star – und allemal gilt dies für Graphen. Das Kristall aus reinem Kohlenstoff ist die äußerste Reduktion dessen, was als Graphit in jeder Bleistiftmine vorkommt. Denn Graphen ist millionenfach dünner; es besteht aus einer einzigen Lage wabenförmig verbundener Atome. Eine solche quasi-zweidi- mensionale Struktur galt lange als zu instabil, um etwas damit anzufangen. Das vielfach bereits als Wundermaterial titu- lierte Graphen überzeugt die Theoretiker vom Gegenteil: Es ist härter als Stahl und Diamant, leitet Strom und Wärme besser als Kupfer, ist praktisch durchsichtig und zudem so dicht, dass kein Gas es durchdringen kann. Dieses aufre- gende Bündel von Eigenschaften inspiriert die Wissenschaft weltweit. Papierdünne Monitore etwa rücken in Reichweite oder Hochleistungs- batterien für Elektroautos. Am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie macht man sich eine weitere Eigenart des Graphens zunut- ze: seine hohe Empfindlichkeit gegenüber chemi- schen Stoffen. Sobald ein fremdes Molekül an die Kohlenstoffwaben andockt, sinkt die elektrische Leitfähigkeit – allerdings unabhängig von der Molekülart. Eine Forschergruppe des Instituts für Silizium-Photovoltaik will nun die Graphen- oberfläche so präparieren, dass sie Substanzen elementspezifisch binden und deren Vorkommen in einer Probe über eine veränderte Leitfähigkeit anzeigen kann. Am Ende, berichtet der junge Chemiker Felix Rösicke, könnte ein preisgüns- tiges „Labor im Chip“ stehen, das aus einem Tropfen Blut binnen Minuten jeden gewünschten medizinischen Wert ausliest. Justus Hartlieb