Helmholtz-Perspektiven Juli – August 2013 8 titelthema Sie beeinflussen nicht nur die Temperatur auf den Kontinenten, sondern auch die Niederschläge und Luftbewegungen. Um eine genaue Vorstellung von der Entwicklung des Klimas zu bekommen, brau- chen die Wissenschaftler daher möglichst realis- tische Ozeanmodelle. Und je höher die räumliche Auflösung dieser Modelle ist, je kleinere Wasser- bewegungen errechenbar sind, desto genauer lässt sich auch das Klima vorhersagen. Für Europa spielt der Golfstrom eine bedeutende Rolle. Er bringt warmes Wasser aus den Tropen mit und sorgt so für ein mildes Klima. Gefüttert wird der Golfstrom allerdings aus dem kalten Meer um Grönland: Wenn sich im Winter das salzreiche Was- ser abkühlt, wird es schwerer, sinkt zu Boden und fließt als Tiefenströmung in den Südatlantik und noch weiter. Durch das Vermischen mit anderen Strömungen steigt das Wasser wieder auf, erwärmt sich und fließt – unter anderem vom Wind getrieben – als Golfstrom nordwärts. Wie ändert sich das aber, wenn auf Grönland infolge der Erderwärmung immer mehr Eis schmilzt? „Gro- ße Mengen Frischwasser gelangen so ins umlie- gende Meer und senken den Salzgehalt“, erläutert Erik Behrens. „Bisher gingen die Wissenschaftler davon aus, dass das Wasser um Grönland dadurch weniger salzig, also leichter werden würde. Das wiederum würde die Wassermenge reduzieren, die im Winter absinkt.“ Demnach könnte die Umwälzbe- wegung im Atlantik abreißen – und damit auch der Wärmetransport aus den Tropen. Das Abschmelzen von Grönlands Eismassen wird den Golfstrom doch nicht zum Erliegen bringen. Genau an der Stelle setzen die hochaufgelösten Simulationen von Erik Behrens an. Wenn er eine neue Berechnung startet, sind alle Ozeane noch ganz still. Er füttert nur Daten über die Atmosphäre ein. „So kann sich der Ozean frei entfalten“, sagt Behrens. Die Atmosphärendaten reichen lückenlos etwa 60 Jahre zurück und treiben das Ozeanmodell an. Wie präzise die virtuelle Simulation funktioniert, zeigt sich beim Vergleich mit den tatsächlichen Ozeanbewegungen: „Wir können unsere Modelle kontrollieren, indem wir sie mit Beobachtungen im Ozean vergleichen“, sagt Behrens. Es sind immense Datenmengen, die bei diesen Modellrechnungen verarbeitet werden müssen. Behrens nutzt dafür externe Hochleistungsrechner – und selbst mit ihnen dauert eine einzige Mo- dellrechnung bei höchster Auflösung drei Monate. Erik Behrens lässt stets globale Ozeanmodelle berechnen, auch wenn er sich im Rahmen seiner Doktorarbeit nur für den Atlantik interessiert. „Es ist ja alles miteinander verbunden“, erklärt er, „und so müssen wir keine Randbedingungen abschätzen und vorgeben.“ Täglich loggt sich Behrens auf dem gemieteten Supercomputer ein und kontrolliert den Verlauf seiner Berechnung. Stellt er fest, dass ein Detail geändert werden muss, bricht er alles ab und muss von vorn anfangen. Zehn dieser Anläufe brauchte er allein für das Abschmelzen von Grönlands Eismassen, zusätzlich unzählige Testrechnungen im Vorfeld. Die Schmelz- rate, die Behrens in sein Modell eingespeist hat, beruht auf aktuellen Satellitendaten. Am Ende steht nun ein extrem genaues Modell – und ein überra- schendes Ergebnis: Zahlreiche kleine Wirbel vertei- len das ins Meer eingetragene Frischwasser derart schnell und gleichmäßig, dass die Umwälzung des Ozeans in den kommenden 30 Jahren kaum verrin- gert werden würde. „Laut der Modellrechnungen wird es also kein Weltuntergangsszenario geben wie in manchen Hollywood-Filmen“, kommentiert Erik Behrens sein Ergebnis. Der entscheidende Unterschied zu früheren Prognosen seien eben die kleinen Wirbel, die man bisher einfach unterschätzt habe. Den Ozean im Blick Erik Behrens arbeitet in der Forschungs- einheit „Theorie und Modellierung“ von Claus W. Böning. Bild: GEOMAR