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Helmholtz Perspektiven 1507

37 Helmholtz Perspektiven Juli – August 2015 PORTRÄT Der Leipziger Chemiker Falk Harnisch hat mit einem Aufsatz über die US-Serie Breaking Bad weltweit Furore gemacht. In seinem Labor aber forscht er auf dem Boden der Gesetze – zu Mikroorganismen Ein Mann steht in der Wüste, er trägt nur ein Hemd und eine weiße Feinripp-Unterhose. Im Hintergrund steigt Rauch aus einem alten Wohnmobil auf. Zwei Gasmasken liegen im Sand. In der Hand hält er eine Pistole. Walter White, Protagonist der US-Serie Breaking Bad, war einmal Chemielehrer an einer Highschool. Doch dann begann er, Crystal Meth zu kochen. Wie sich ein braver Bürger in einen rücksichtslosen Kriminellen verwandelt – das fasziniert Millionen Fernsehzuschauer welt- weit. Doch die wissenschaftliche Seite der Serie sorgt ebenso für Gesprächsstoff. Das liegt auch am Artikel „Die Chemie bei Breaking Bad“, den inzwischen Tausende Leser im Internet heruntergeladen haben. Erstautor ist der deutsche Forscher Falk Harnisch. Der 32-jährige Chemiker leitet eine Nachwuchsgruppe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. „Die Resonanz auf den Artikel hat uns total überrascht“, sagt Harnisch. Mit seinem Mitautor Tunga Salthammer hat er sich oft über die klischeehafte Darstellung von Wissenschaftlern in Filmen geärgert. Die Serie zeigt, dass es nicht immer so sein muss. „Walter White ist zwar kein Sympathieträger, aber eine interessante und vielschichtige Persönlichkeit“, sagt Harnisch. „Und vor allem steckt die Serie voller interessanter wissen- schaftlicher Details, die zwar nicht immer ganz korrekt, aber doch nie grundfalsch sind.“ Wie sich die Droge Crystal Meth aus Erkältungsmitteln herstellen lässt, wie aus Dollarmünzen, Schrauben und Bremsscheiben eine Batterie gebaut wird und Leichen in Flusssäure aufgelöst werden, alles das hat einen re- alen Hintergrund – und befreit den Serienhelden Walter White immer wieder aus brenzligen Situationen. Erschienen ist der Beitrag in der Zeitschrift Chemie in unserer Zeit. „Die Chemie bei Breaking Bad“ ist der am meisten heruntergeladene Artikel, den die Zeitschrift je publiziert hat. Inzwischen wurde er auch in den USA veröffentlicht. Der Rummel um seine Analyse ist Falk Harnisch ein bisschen viel. Eigentlich möchte er lieber über seine Arbeit am UFZ sprechen. Für ihn ist die Tätigkeit in Leipzig nach vielen Stationen so etwas wie eine Rückkehr in die Heimat: Aufgewach- sen ist Harnisch in einem kleinen sächsischen Ort. Als die Mauer fiel, war er sieben Jahre alt – und doch hat die DDR mit ihrer Industriegeschichte seine Studienwahl beeinflusst: „Die Chemie hat mich schon früh begeistert. Sie hatte aber in meiner Familie einen schlechten Ruf, geprägt durch die Industriekombinate in Bitterfeld und Schwedt.“ Harnisch entschied sich für die lebensnähere Variante und begann ein Biochemie-Studium in Greifswald. Nach der Promotion folgte er seinem Doktorvater nach Braunschweig, als Postdoc ging er für ein halbes Jahr nach Australien. Am UFZ in Leipzig hat Falk Harnisch ein junges Team um sich geschart. Wenn sich die Arbeitsgruppe zu ihrem wöchentli- chen Seminar trifft, wirkt Harnisch in seinem Kapuzenpullover kaum älter als seine Doktoranden. Er stellt mehr Fragen, als dass er doziert. Ein gutes und freundschaftliches Verhältnis in seinem Team, erzählt er, sei ihm wichtig. In seinem Labor beschäftigt er sich mit Elektrobiotechno- logie und untersucht Mikroorganismen, die Elektronen abgeben oder aufnehmen können. „In biochemischen Stoffwechselprozes- sen wie der Atmung oder Gärung geht es darum, Elektronen von einem höheren auf ein niedrigeres Energieniveau zu übertragen und die dabei freiwerdende Energie chemisch zu binden und für das Leben zu nutzen“, erklärt er. Umweltmikrobiologen inte- ressieren sich besonders für solche elektroaktiven Bakterien, die organische Stoffe in Abwasser abbauen und dabei Elektronen ab- geben. Eine verlockende Vorstellung: Schon in den 1950er-Jahren wollte die NASA in ihren Space Shuttles elektrische Energie aus den Ausscheidungen der Astronauten gewinnen. Harnisch geht einen anderen Weg. Er versucht, elektro- aktive Bakterien mit Strom zu versorgen und so ihren Stoff- wechsel anzukurbeln. Dadurch will er wertvolle Grundstoffe für die chemische Industrie herstellen. Die stammen bisher zu 90 Prozent aus Erdöl. Der ideale Ausgangsstoff für die Bakterien ist hingegen CO2 , das im Überfluss vorhanden ist. Harnischs Ziel ist es, die Verfahren zur Marktreife zu bringen. Die Elektrobiotechnologie, in der Falk Harnisch arbeitet, erlebt seit einem Jahrzehnt einen regelrechten Schub, auch die Zahl internationaler Kongresse nimmt zu. Auf einem dieser Kon- gresse kam ein Kollege auf Harnisch zu. In seiner Heimatstadt, sagte er, kenne ihn fast jeder: „You are famous in Albuquerque“, rief er. Albuquerque im US-Bundesstaat New Mexico, das wissen die Fans von Breaking Bad, ist der Schauplatz der Serie und die Heimat von Walter White.  Martin Trinkaus issenschaft Al 13 W 74 s Drogenküche

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