Helmholtz Perspektiven Juli – August 2015 3FORSCHUNG Ausgeprägten Spürsinn hat jüngst ein Forscher- team am Berliner Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin bewiesen. Sein Thema: das Erbleiden Chorea Huntington. Gemeinhin als „Veitstanz“ bekannt, führt die Krankheit zu Bewe- gungsstörungen, Demenz und frühem Tod. Ihr zu- grunde liegt ein mutiertes Gen, das den Bauplan des Proteins Huntingtin durcheinander bringt. Dies faltet sich daraufhin so exzessiv, dass es verklumpt und Nervenzellen im Endhirn beschä- digt. Bislang ist nicht bekannt, was sich dagegen tun lässt. Glücklicherweise jedoch sind Proteine keine Einzeltäter, jedes ist Teil eines Netzwerks voller Wechselwirkungen. Gibt es, fragten sich die Berliner Forscher, unter den Proteinen, die mit Huntingtin in Beziehung stehen, eines, das dem amoklaufenden Co-Eiweiß Paroli bieten kann? Die Annäherung an den winzigen Unbe- kannten verlief hochkriminalistisch: Einkreisung mittels Rasterfahndung war für die Forscher um Schrödinger-Preisträger Erich Wanker die Metho- de der Wahl. Aus biomedizinischen Datenbanken trugen sie mehr als 500 Proteine zusammen, die mit Huntingtin interagieren. Dann filterten sie jene heraus, die im Gehirn aktiv sind, dann wiederum solche, die in den betroffenen Hirnre- gionen anzutreffen sind. Und tatsächlich: Unter den verbliebenen 13 Proteinen war eines, das dem fatalen Verklumpen des Huntingtin entgegenwirkt. Erste Laborversuche mit CRMP1 – so der Name des wohltätigen Gegenspielers – untermauern den Befund. Heilen lässt sich Chorea Huntington deswegen noch nicht, doch Biotechnologe Wanker ist sich sicher: „Die klinische Praxis von morgen beruht auf den molekularbiologischen Erkenntnis- sen von heute.“ Justus Hartlieb HELMHOLTZ extrem Die kriminalistischste Krankheitsforschung Lebhaftes Getummel Diese Karte visualisiert Protein-Protein-Wechselwirkungen des gesamten menschlichen Organismus. Bild: MDC/Ulrich Stelzl et al. Alle Ausgaben von HELMHOLTZ extrem unter: www.helmholtz.de/ extrem