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Helmholtz Perspektiven September – Oktober 2014 7Forschung 4000 – 6000 m Grafik + Feinstaubfoto Herz-Kreislauf-Erkrankungen inzwischen wissen- schaftlich abgesichert ist. Zunächst beeinträchtigen die Staubkörner die Atemwege. Tief in die Lunge eingedrungene Partikel können die Ausschüttung bestimmter Botenstoffe bewirken, die dann eine Entzündungs- reaktion im Körper auslösen. Außerdem kann der Feinstaub den Herzrhythmus stören: direkt durch das Eindringen ins Herz, über das Andocken an so genannte Reflexrezeptoren in der Lunge oder indirekt über Entzündungen. Für 2012 hat die Weltgesundheitsorganisation WHO weltweit 3,7 Millionen Todesfälle durch Luftschadstoffe angege- ben. Feinstaub war verantwortlich für 16 Prozent der Todesfälle durch Lungenkrebs, 11 Prozent der Todesfälle durch chronisch obstruktive Lungener- krankung sowie über 20 Prozent der Todesfälle durch Koronare Herzkrankheit und Schlaganfall. „In Europa verkürzt die Luftverschmutzung unsere Lebenserwartung um bis zu neun Monate“, sagt Schneider. Die derzeitigen Grenzwerte seien nicht ausreichend, da zu hoch – und würden zudem noch ständig überschritten. Damit aber nicht genug: Ge- rade in den Wintermonaten bringen östliche Winde viel Feinstaub aus Osteuropa mit sich. Im Gegensatz zu den 35 erlaubten Über- schreitungen des PM10-Tagesmittelwertes empfiehlt die WHO lediglich drei, um eine gesundheitliche Gefährdung auszuschließen. Ein Grenzwert, der selbst im ländlichen Raum kaum einzuhalten sei, sagt Ute Dauert, die beim Umweltbundesamt unter anderem für die Berichterstattung an die Europäische Kommission zuständig ist. „Die Grenzwerte sind Kompromisse zwischen gesundheitlicher Gefähr- dung und den Kosten für Minderungsmaßnahmen“, sagt sie. Und doch will sie die WHO-Empfehlungen in die Öffentlichkeit tragen, um den Erwartungs- druck auf die Politik zu erhöhen. Das größte Paradoxon in Sachen Feinstaub aber ist, dass es für die vermutlich gefährlichsten Staubteilchen bislang überhaupt keinen Grenzwert gibt: die so genannten ultrafeinen Partikel – also solche mit einer Größe von weniger als einem Zehntausendstel Millimeter (0,1 µm). Sie gelangen von der Lunge bis ins Blut und darüber in jedes Organ. „Selbst im Gehirn wurden schon ultrafeine Partikel nachgewiesen“, sagt Alexandra Schneider. Sie könnten sogar am schädlichsten sein. „Aber sie sind auch am schwie- rigsten zu messen, weshalb Routinemessungen und gesundheitsbezogene Studien weitgehend fehlen.“ So würde auch kein Grenzwert eingeführt. Inzwischen beginnen Wissenschaftler und Bürger zu handeln. Eine Initiative in Stuttgart demonstrierte kürzlich für zeitweilige Fahrverbote. In Hamburg fordert der NABU einen Landstroman- schluss für Kreuzfahrtschiffe, denn der Schiffsverkehr macht allein 17 Prozent der Feinstaubemissionen in der Hansestadt aus. Doch der Hamburger Senat schiebt die für 2012 vorgesehene Entscheidung vor sich her. „Wir brauchen schärfere Emissionsanforde- rungen für PKW, Baumaschinen und Industrieanla- gen“, sagt Ute Dauert. Auch in der Landwirtschaft und im Schiffsverkehr müssten die Feinstaub- emissionen gesenkt werden, ebenso bei Kaminen und Öfen, denn das private Heizen mit Holz hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Alles Maßnahmen, die richtig wehtun würden – und zwar nicht nur der Industrie. Immerhin: Von 2015 an muss auch ein ver- bindlicher Grenzwert für Partikel von weniger als 2,5 µm Größe eingehalten werden – ein Anfang. Aber auch nicht mehr als das.  Andreas Fischer Weiterführende Informationen zur Luft- verschmutzung: www.helmholtz.de/ luft Lesen Sie zum Thema Feinstaub auch die Reportage auf den Folgeseiten TITELTHEMA 7

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