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Helmholtz Perspektiven 0216

37PORTRÄT Helmholtz Perspektiven März – April 2016 „Ich komme überall hin, wo ich hin möchte“, sagt Barbara Lenz, und dieser Satz, der bei jedem anderen nach einer Selbstver- ständlichkeit klingt, umreißt einen Teil ihrer Forschung: Die studierte Geografin erkundet, wie sich das menschliche Mobili- tätsverhalten verändert. Wenn sie zu ihrem Arbeitsplatz fährt, der in Berlin-Adlershof liegt und damit ein ganzes Stück ent- fernt vom Zentrum der Stadt, nutzt sie je nach Situation die öffentlichen Verkehrsmittel, das eigene Auto, das Fahrrad und auch mal das Taxi, wenn sie viel telefonieren muss – „diese Vielfalt der individuellen Mobilität“, sagt sie, „hat unsere Welt in den letzten 100 Jahren grundlegend verändert. Vom Fuhrwerk bis dahin, dass sich jeder Einzelne ein Auto leisten kann, war es ein riesiger Schritt.“ Mit der Verbreitung der Carsharing-Angebote, die immer mehr von der Bevölkerung angenommen werden, habe die Flexibilität noch einmal stark zugenommen. Die 60-Jährige leitet das Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Ihr Büro hat sie so eingerichtet, dass es einen Kontrast bildet zur Funk- tionalität des Institutsgebäudes: Ihren Besuch empfängt sie an einer Sitzgruppe aus cognacfarbenem Leder. Wenn man dort Platz nimmt, blickt man auf Bücherregale, die bis unter die Decke reichen. Auf ihrem Schreibtisch liegen Leuchtstifte bereit. „Ein wichtiges Utensil“, sagt Barbara Lenz. Denn wenn sie Fachliteratur liest, markiert sie, was ihr auffällt. Die Textpassa- gen diskutiert sie gerne mit ihren Kolleginnen und Kollegen. „Mich interessiert der kontinuierliche Auf- und Ausbau des Wissens – zur Emissionsentwicklung, zur Alltagsmobilität, zum Einfluss des Digitalen auf diese Mobilität.“ All das trage zum Verständnis des Ganzen bei, deshalb sind es oft die ver- meintlich kleinen Fragen, die sie umtreiben. Im Begriff Mobilitätsverhalten versteckt sich ein weites Forschungsfeld. Besonders interessant ist für Barbara Lenz der zweite Teil des Wortes: das Verhalten. Um Verkehrssysteme zu entwickeln, müsse man genau wissen, welche Bedürfnisse der Mensch habe und wie die sich auswirkten. Mit ihrer Forschung möchte Lenz die Mobilität für Menschen gestalten. Bei der Tech- nologie des autonomen Fahrens sei es beispielsweise wichtig zu fragen, was es bedeute, wenn ein Fahrzeug von alleine fahren kann. „Welchen Nutzen hat man davon und was heißt das für die Stadt? Können Verkehrsflüsse effizienter gestaltet werden?“ Auch das Verhältnis von Mensch und Maschine sei ein wichtiges Forschungsfeld – immerhin müsse der Mensch bereit dazu sein, die Kontrolle über das Fahren an eine Maschine abzugeben. „Bis jetzt haben wir selbst die Entscheidungen am Steuer getroffen. Der Technik das Vertrauen zu schenken, uns sicher durch den Verkehr zu leiten, fällt daher noch schwer“, sagt Lenz. „Rational ist dieses Misstrauen nicht zu erklären, autonomes Fahren kann sogar mehr Sicherheit im Verkehr bieten.“ Unsicherheit bestehe auch darin, wie die Daten, die beim Fahren entstehen, verwaltet und weiter genutzt würden. „Hier ist es wichtig, eine IT-Kultur zu entwickeln, die die Privatsphäre der Fahrer schützt“, sagt Lenz. Auch der öffentliche Nahverkehr ist Gegenstand ihrer Forschung: So untersucht sie beispielsweise, welche besonde- ren Bedürfnisse eine immer älter werdende Stadtbevölkerung gegenüber dem öffentlichen Verkehr hat. Nach einem journalistischen Volontariat studierte Lenz Geografie und Germanistik und arbeitete zunächst als Gym- nasiallehrerin – bis sie sich dann doch für die Wissenschaft ent- schied. Seit 2002 arbeitet sie am Institut für Verkehrsforschung. Die Lust am Gestalten und an der Verantwortung habe sie dazu gebracht, sich auf die Leitungsstelle am DLR zu bewerben, die ihr 2007 übertragen wurde. „Ich habe immer auch Funktionen wahrgenommen, in denen ich die Interessen der anderen ver- treten habe, als Schülersprecherin, als Jahrgangssprecherin während meines Referendariats oder auch an der Uni als Spre- cherin für die Frauen des Instituts.“ Die Jahre in der Verkehrsforschung haben ihr Gespür für Trends geschult. Um das Bedürfnis der Menschen nach größtmöglicher Mobilität zu erfüllen, müsse man nicht nur die passenden Verkehrsmittel anbieten, sagt Lenz. In gleichem Maße gelte es auch, Mobilität umweltfreundlicher zu gestal- ten und die immer komplexere Technik für den alltäglichen Gebrauch zu vereinfachen. Das geschehe zum Teil durch die zunehmende Digitalisierung, zum Beispiel durch Smartphone- Apps oder Navigationsgeräte für die Routenplanung. Am Institut erforscht Lenz mit ihrem Team, wie die vielfältigen Ansprüche in Einklang gebracht werden können: „Wir können nicht die Bedürfnisse jedes Einzelnen erfüllen“, sagt sie, „aber zumindest für die Mehrheit wollen wir es schaffen.“  Pia Liyanage Navigatorin durch den Verkehr von morgen Forscherin Barbara Lenz beschäftigt sich mit Mobilität – und schaut dafür nicht nur auf neue Technik, sondern vor allem auf das Verhalten der Menschen

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