FORSCHUNG30 seinen Anfang. „Wir sahen verrottende Äpfel auf einer Wiese und kamen auf die Idee, dass deren hoher Zuckeranteil Biomüll für den Einsatz in einer Batterie prädestiniert“, erinnert sich Buchholz. Mit seinen Kollegen entwickelte er im Labor aus dem alten Obst ein kohlenstoffbasiertes Material für die negative Elektrode einer Batterie. „Diese Entdeckung ist ein wichtiger Schritt, um beispielsweise biologische Abfälle nachhaltig zu nutzen“, betont der Wissenschaftler. Einer aktuel- len Studie der Umweltstiftung WWF zufolge landen in Deutschland jedes Jahr rund 18,4 Millionen Tonnen Nahrung im Müll. Ein beträchtlicher Teil davon könnte künftig eine neue Form von Energie spenden. Auf ungewöhnliche Stoffe greifen auch die Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zurück. Sie erforschen zum Beispiel Flüssigsalzspeicher in solarthermi- schen Kraftwerken. Überschüssige Energie wird dazu genutzt, Salz zu schmelzen. Wenn es beim Erkalten kristallisiert, gibt es die Energie wieder ab. „Speichertanks mit heißem, geschmolzenem Salz könnten dafür sorgen, dass die Kraftwerke auch ohne Licht weiterarbeiten, etwa nachts oder wenn der Himmel wolkenverhangen ist“, erklärt Thomas Bauer, der die DLR-Forschungsgruppe zu Thermischen Systemen für Flüssigkeiten leitet. In den Andasol-Kraftwerken in Spanien etwa werden 28.000 Tonnen Flüssigsalz eingesetzt, um ein Kraft- werk mit 50 Megawatt elektrischer Leistung für 7,5 Stunden nach Sonnenuntergang aus einem Wärmespeicher zu betreiben. Am DLR-Standort Köln wird derzeit die Flüssigsalz-Testanlage TESIS mit über 100 Tonnen Salz errichtet. Roel van de Krol geht mit seinem Team am Institut für Solare Brennstoffe des Helmholtz- Zentrums Berlin für Materialien und Energie (HZB) einen gänzlich anderen Weg: Durch künst- liche Photosynthese macht der Materialwissen- schaftler aus Sonnenenergie Wasserstoff. In den kommenden zwei Jahren wollen die Forscher ein praxistaugliches System entwickeln, das mehr als acht Prozent der Solarenergie, die auf eine Photo- voltaikanlage strahlt, in Wasserstoff umwandelt. Bisher lag der Anteil unter sechs Prozent auf einer Fläche von nur 0,3 Quadratzentimetern. Am HZB soll die Fläche 50 Quadratzentimeter groß werden. „Das könnte den Durchbruch für die praktische Anwendung bedeuten“, sagt van de Krol. Der Wasserstoff kann in Hochdrucktanks gespeichert werden, bei Bedarf wird daraus über Brennstoff- zellen Elektrizität erzeugt. Die Nachfrage nach all den neuen Ideen und unkonventionellen Wegen in Sachen Energiespei- cher ist in jedem Fall gewaltig: Die Bundesregie- rung hat vorgegeben, dass der Anteil erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2025 im Strombereich auf 40 bis 45 Prozent und bis zum Jahr 2035 auf bis zu 60 Prozent ausgebaut werden soll. Lars Klaaßen Große Hoffnungen setzen Forscher in den Bereich der Wärme- versorgung, denn deutlich mehr als die Hälfte der eingesetzten Energie in Deutschland wird in Form von Wärme benötigt. „Daher sind innovative Ansätze für den Wärmebereich notwen- dig“, sagt Marc Linder, Fachgebietsleiter für Thermochemische Systeme am DLR. „Einer davon könnte die Speicherung in Kalk sein.“ Das Material ist günstig und kann sehr große Mengen an Wärme speichern, zu großen Teilen sogar verlustfrei. Eine Testanlage betreiben die Forscher bereits; darin reagiert Calciumoxid, auch als Branntkalk bekannt, mit Wasser- dampf unter starker Wärmeabgabe. Dabei entsteht Calcium- hydroxid. Erhitzt man diesen gelöschten Kalk auf hohe Tempe- raturen, trennt sich das Wasser wieder ab. „Dieser Prozess der Wärmeabgabe und Wärmeaufnahme ist beliebig oft wiederhol- bar“, sagt Linder. Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) arbeiten parallel an einer Technik, um die Sonnenwärme zu speichern. Dazu arbeiten sie unter anderem auf dem Gebiet der flachen Geothermie, das ist der Bereich bis 100 Meter unter der Erdoberfläche. In hiesigen Breiten liegt die Temperatur dort ganzjährig bei etwa 10 Grad Celsius. „Die Böden eignen sich zum Teil sehr gut, um dort Wärme oder auch Kälte zu speichern“, erklärt Thomas Nagel, Gruppenleiter am Department Umwelt- informatik. „Wird ein Haus zum Beispiel im Sommer gekühlt, entzieht man ihm Wärme, die dann ins Erdreich geleitet wird.“ Die Temperatur des Bodens verändert sich entsprechend. Das kann verschiedene Effekte haben, die sich zudem gegenseitig beeinflussen: Strömungen im Grundwasser etwa oder auch chemische Prozesse. Die Forscher entwickeln ein Programm, das die Folgen an konkreten Orten im Vorfeld simuliert. E N E R G I E A L S W Ä R M E S P E I C H E R N Helmholtz Perspektiven März – April 2016