3FORSCHUNG Helmholtz Perspektiven September – Oktober 2014 Wenn viele Menschen auf begrenztem Raum zu- sammenkommen, kann aus wohliger Tuchfühlung rasch unbehagliche Enge werden – etwa nach einem Konzert, wenn alle Besucher auf einmal in Richtung Ausgang strömen. Nimmt das Gewühl weiter zu, wird es zwangsläufig gefährlich; so wie 2010 auf der Duisburger Love Parade, bei der in einem Gedränge 21 Menschen umgekommen und 500 verletzt wor- den sind. Wie sich Menschen bewegen, wenn sie Teil einer großen Menge sind, ist noch wenig erforscht. Auch Vergleiche mit Flüssigkeiten oder Molekülen helfen da nur bedingt; schließlich verfolgen Fußgän- ger immer auch eine Strategie. Um mehr darüber zu erfahren, haben Wissen- schaftler des Forschungszentrums Jülich im Jahr 2013 einen Großversuch gestartet. 2000 Proban- den luden sie in die Düsseldorfer Messehalle ein – ein größeres Experiment mit Fußgängern hat es noch nicht gegeben. Vier Tage lang schleusten die Forscher sie durch mal schmale, mal weite Zugänge, über blockadeträchtige Kreuzungen und in sich bis zu klaustrophobischer Enge füllende Räume. Wech- selnde Randbedingungen wie Eile oder eingesetzte Verkehrszeichen sorgten für zusätzliche Erkennt- nisse. Dokumentiert wurde das Geschehen von 24 Kameras. QR-Codes auf den Mützen der Probanden ermöglichten individuelle Bewegungsprofile. 42 Terabyte an Daten hat das Team um Armin Seyfried und Stefan Holl zusammengetragen. Für das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Verbundprojekt BaSiGo (Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen) entstehen daraus Computermodelle, die vorausberechnen, wie sich Menschenmassen auf Veranstaltungen bewe- gen. Riskante Staus und bauliche Sicherheitslücken sollen sich damit künftig vermeiden lassen. Justus Hartlieb HELMHOLTZ extrem Diesmal: Das größte Fußgänger-Experiment der Welt Pulkbildung für die Wissenschaft Ab sechs Personen pro Quadratmeter wird es brenzlig. Bild: Forschungszentrum Jülich Fotogalerie zum Fußgänger- Experiment unter: www.helmholtz.de/ gewusel Helmholtz Perspektiven März – April 2015