Helmholtz Perspektiven März – April 2015 13TITELTHEMA Hauke Harms leitet den Bereich Umweltmikrobiologie am Helmholtz- Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Auf dem Gebiet der Bakterienforschung ist er seit mehr als 25 Jahren aktiv. 1990 gelang ihm der Nachweis, dass Bakterien Dioxin abbauen können. Für die Entwick- lung eines Biosensors für Arsen im Trinkwasser erhielt er im Jahr 2010 den Erwin-Schrödinger-Preis. www.helmholtz.de/schroedinger Trotz dieser beeindruckenden Fortschritte: Es gab eine Zeit, in der die Umweltmikrobiologie mehr Schlagzeilen machte als heute. Das stimmt, in den 1970er-Jahren herrschte eine regelrech- te Euphorie. Damals wurden erstmals Bakterien entdeckt, die Schadstoffe abbauen können. Mit der Zeit musste man jedoch erkennen, dass sich die guten Ergebnisse aus dem Labor praktisch nie in die reale Umwelt übertragen ließen. Das hat mit einem Faktor zu tun, den wir Bioverfügbarkeit nennen: Im Labor bekommt das einzelne Bakterium seinen passenden Schadstoff mundgerecht serviert; draußen in der Natur finden Gift und Mikrobe aber nur schwer zueinander. Also begann man zunächst damit, den Boden tonnenweise auszuheben und zu mischen, um ein paar Gramm Schadstof- fe zu ein paar Gramm Bakterien zu bringen. Das ist natürlich ein hochgradig uneffektives Vorgehen. Was ist die bessere Strategie? Die Natur macht es uns vor, wir müssen es nur erkennen und nachmachen. Das ist die Grundidee, und so versucht man heute, ein passendes ökologisches System im verseuchten Boden zu schaffen – zum Beispiel mit Hilfe von Pilzen, an deren netzartigen Fortsätzen die Bakterien entlangwandern können. Fachleute sprechen vom Fungal Highway: Wie auf einer Autobahn erreichen die Mikroben ihren Schadstoff. Und wie kommen die Pilze in den Boden? Pilze mögen Stroh. Also mischt man eine Ladung davon in die Erde. Und alles Weitere geht von selbst? Ja, im Boden funktioniert das ähnlich wie im Abwasser der Kläranlagen, auch wenn die Prozesse im Boden komplexer sind. Aber in beiden Situationen passen wir uns inzwischen an die Bedingungen der natürlichen Umwelt an – das ist der wesentliche Unterschied zu früher. Dieser Paradigmenwech- sel hat übrigens auch juristische Konsequenzen. Inwiefern? Früher hielt man es für erforderlich, den verunreinigten Boden wegzuschaffen. Heute genügt oft der Nachweis, dass eine mikrobielle Selbstreinigung stattfindet. Interview: Lilo Berg