Helmholtz Perspektiven November – Dezember 2014 8 TITELTHEMA Suchen neue Antibiotika Auch am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung wird an Myxobakterien geforscht; hier betrachten Diana Telkemeyer (links) und Birte Trunkwalter eine Kultur unter dem Mikroskop. Bild: Uwe Bellhäuser/HZI „Dass hier offenbar auch ein neuartiger Wirkmecha- nismus entdeckt wurde, macht das ganze vielver- sprechend“, sagt Reinier Mutters, Mikrobiologe und Leiter der Abteilung Hygiene am Uniklinikum Marburg. Ein Großteil der Antibiotika zersetzt zum Beispiel die Zellwand der Bakterien. Das macht sie zwar besonders verträglich in der Anwendung, weil menschliche Zellen keine Zellwand haben und deshalb Antibiotika, die auf die Zellwand wirken, kaum unerwünschte Nebenwirkungen zeigen. Doch im Laufe der Jahre wurden sie so oft eingesetzt, dass diejenigen Bakterienstämme, deren Zellwand anfällig ist gegenüber den Antibiotika, langsam absterben – widerstandsfähige Stämme jedoch, die Verteidigungsmechanismen entwickelt ha- ben, breiten sich aus. „Substanzen, die gegen die Zellwand wirken, können gegen die multiresistenten Keime von heute kaum noch etwas ausrichten“, sagt Mutters. Die Keime seien durch die teilweise inkonsequenten Antibiotika-Gaben, die über eine zu kurze Zeitspanne erfolgen, besonders schnell widerstandsfähig geworden. Evolution im Zeitraffer. Dementsprechend verbreitet sind multiresistente Keime heute bereits: Etwa zwölf bis 25 Prozent der Staphylococcus aureus-Stämme in Deutschland sind bereits multiresistent, in anderen Ländern wie Polen oder den USA, wo Antibiotika häufiger angewendet werden, liegt die Quote bei mehr als 50 Prozent. Solange sich die Infektionen mit den wider- standsfähigen Keimen nur schlecht behandeln lassen, sind immer mehr Patienten gefährdet – ausgerechnet im Krankenhaus. „Die Sterblichkeit von Patienten, die operiert wurden, liegt ohne eine Wundinfektion bei knapp drei Prozent, bei einer Infektion mit einem herkömmlichen Staphylococcus aureus bei etwa zehn Prozent und bei einem multi- resistenten Staphylococcus aureus bei 20 Prozent“, sagt Mutters. Besonders anfällig sind Patienten auf Intensivstationen und in der Geriatrie; auch, weil hier das Abwehrsystem oft geschwächt ist. Zwar gibt es noch ein paar wenige Antibiotika, die zumindest ein Stück weit gegen die multiresis- tenten Keime wirken. „Mit Vancomycin zum Beispiel bekommt man einen MRSA noch einigermaßen unter Kontrolle“, sagt Dirk Schlüter, Direktor des In- stituts für Medizinische Mikrobiologie und Kranken- haushygiene des Universitätsklinikums Magdeburg. Allerdings sei es ein so genanntes Reserveantibio- tikum, dessen Anwendung risikoreicher sei: Die Dosierung muss an die Nierenfunktion angepasst werden, um ausreichende Wirkspiegel zu erreichen, aber auch um Überdosierungen mit unerwünschten