Helmholtz Perspektiven November – Dezember 2014 22 in Indonesiens Hauptstadt Jakarta zusammen. Dort überwachen Wissenschaftler rund um die Uhr den Indischen Ozean – die High-Tech-Zentrale ist das Herzstück des Frühwarnsystems mit dem Na- men „German Indonesian Tsunami Early Warning System“, kurz GITEWS. Die Technik ist exakt darauf abgestimmt, wie die Tsunami entstehen: Nahezu immer werden sie durch ein starkes Erdbeben am Meeresgrund ausgelöst. Vor der indonesischen Küste treffen zwei Kontinentalplatten aufeinander: Die Indisch- Australische Platte schiebt sich jedes Jahr mehre- re Zentimeter unter die Eurasische Platte, wodurch es immer wieder zu Starkbeben kommt. Ein dichtes Netz aus Erdbebenstationen bildet daher den Kern des Frühwarnsystems. Die Seismometer sind so verteilt, dass ein Beben innerhalb von zwei Minuten an mindestens drei Stationen registriert werden kann. Je genauer die Mitarbeiter des Warnzentrums Ort und Stärke des Bebens kennen, desto präziser können sie vorhersagen, wann und wo ein Tsunami eintreffen könnte. Doch nicht jedes Starkbeben hat automatisch einen Tsunami zur Folge. Die Daten aus den Seismometern geben Im Ernstfall vorbereitet Mitarbeiter des Warnzentrums beim Training. Bild: H. Letz/GFZ für sich genommen noch keine Auskunft darüber, ob ein Tsunami entsteht oder nicht. Durch GPS erhält das Warnzentrum deshalb auch Informatio- nen darüber, in welche Richtung sich der Meeres- grund verschiebt. Nur wenn sich der Meeresboden während des Bebens anhebt, verdrängt er die darüber befindlichen Wassermassen. In der Folge breitet sich ein Tsunami ringförmig an der Meeres- oberfläche aus. Verschiebt sich der Meeresboden dagegen nur seitlich, bleibt die Welle aus – des- halb ging auch das Beben vor Sumatra 2012 so glimpflich aus. „Ein Frühwarnsystem kann technisch noch so ausgereift sein – Todesopfer werden sich nie ganz vermeiden lassen“ Für die Mitarbeiter im Warnzentrum ist jeder Alarm eine Nervenprobe: Bei einem Beben bleiben ihnen nur fünf Minuten, um die Evakuierung auszulösen. Die Geologie Indonesiens lässt keinen größeren Spielraum zu, denn schon 20 bis 40 Minuten nach einem Beben können erste Tsunamiwellen die Hauptinseln des Landes erreichen, von den vielen vorgelagerten Inseln ganz zu schweigen. Projekt- leiter Jörn Lauterjung und seine Kollegen konnten deshalb nur bedingt auf die Technik von anderen Frühwarnsystemen im Pazifik zurückgreifen. Auf Hawaii zum Beispiel dauert es in der Regel mehrere Stunden, bis der Tsunami nach einem Erdbeben die Strände erreicht. „In Indonesien hingegen müssen die Behörden extrem schnell und mit nur wenigen Daten darüber entscheiden, ob eine Evakuierung stattfinden soll oder nicht“, erklärt Lauterjung. Weil hunderttausende Menschenleben davon abhängen können, gibt es eine klare Maxime für die Mitarbei- ter vor Ort: „Bei allen Warnungen mit unsicheren Daten wird immer vom Worst-Case-Szenario ausge- gangen“, sagt Lauterjung. Alle Daten können die Mitarbeiter im Ernstfall nicht genau auswerten, denn das würde mehrere Tage dauern. Damit sie trotzdem möglichst präzise Entscheidungen treffen können, haben Lauterjung und seine Kollegen ein so genanntes Decision Support System konzipiert. Dessen Kernstück sind Simulationen: Mehr als 3000 Modellrechnungen zu den verschiedensten Szenarien stehen in einer Datenbank zur Verfügung. Ein Computer vergleicht die aktuellen Messungen mit diesen Modellen – und ermittelt so im Ernstfall blitzschnell, welches vorberechnete Szenario der Wirklichkeit am näch- sten kommt. Darauf können die Mitarbeiter dann ihre Entscheidungen stützen. FORSCHUNG