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Helmholtz Perspektiven 1411

16 Helmholtz Perspektiven November – Dezember 2014 FORSCHUNG Frau Wittmann, Sie haben sich 1950 an der Uni Gießen eingeschrieben. War es schwierig, als Frau einen Studienplatz zu bekommen? Wittmann Und ob. Die Kriegsteil- nehmer kehrten zurück und hatten das erste Anrecht. Ich habe drei Mal die Uni gewechselt, um überhaupt in Chemie das Vordiplom und Diplom machen zu können. Zwischendurch musste ich manchmal Biologie studieren, weil es für mich als Frau keinen Laborplatz gab. Wurde Ihnen das so gesagt: Wir nehmen keine Frauen? Wittmann Genauso. Es gab keine Quote, aber die Professoren wollten einfach nicht. Für die war klar, dass man als Frau nach dem Diplom aufhört. In Tübingen war es besonders schwierig. Aber ich wollte unbedingt dahin. 1952 hatte ich dann so viele Zeugnisse zusammen, dass sie mich nehmen mussten. Eine einzige Kollegin hatte ich, von ungefähr 60. Und die ging nach dem Diplom. Als ich dann auch noch sagte, ich möchte promovieren, haben sie mir gegeigt, ich könnte sicher nie einen Job bekommen, in der Industrie auf keinen Fall, höchstens in der Bibliothek. Rosenbaum Bei mir im Semester waren auch nicht viele Frauen, fünf oder acht vielleicht von 120. Aber so etwas wie Sie, Frau Wittmann, habe ich nie gehört. Zu meiner Zeit lief das subtiler. In der Schule zum Beispiel im Matheunterricht. Wenn ich als einzige die Antwort wusste, sagte der Lehrer einmal: „Was ist denn hier los? Ihr wollt euch doch nicht von dem Mädchen in die Tasche stecken lassen!“ Später hatte ich einen Englischlehrer, der reihum fragte, wer was studieren wollte. Als ein Junge antwortete: „Physik“, sagte er: „Das ist ein spannendes Fach“. Als ich „Physik“ sagte, meinte er: „Wirklich? Das ist ja ganz schön schwer!“ Wittmann Aber im Studium war das anders? Rosenbaum Als ich 2000 in Heidelberg anfing, waren sie dankbar für jeden Studien- anfänger. Die Arbeitsgruppenleiter haben sich einen Wettstreit geliefert, wer wie viele Studenten für sein Labor gewinnen kann. Insofern glaube ich, dass sich die Professoren sogar gefreut haben, wenn sich mal eine Frau für ihr Fach interessier- te. Aber ich war mir nie sicher, ob es nicht nur darum ging, der Erwartung der Politik zu entsprechen, dass endlich mehr Frauen Naturwissenschaften studieren sollen. Wittmann Für mich kam der Wendepunkt erst, als der spätere Max-Planck-Präsident Adolf Butenandt ein Max-Planck-Institut für Biochemie in München gründen wollte. Als ich davon hörte, saß ich gerade an meiner Diplomprüfung in Tübingen und wusste: Das ist es. Bei Butenandt gab es Biologinnen, Pharmazeutinnen, Medizi- nerinnen, da fiel man als Frau nicht so auf. Und er nahm mich tatsächlich! Das Thema, das er mir für meine Doktorarbeit stellte, fiel allerdings anders aus, als ich es mir gewünscht hatte. Als Apotheker- tochter wollte ich über Pflanzeninhalts- stoffe forschen, doch Butenandt sagte: „Wir fangen an mit dem Hämoglobin, mit der Konstitutionsermittlung, und Sie wer- den die erste sein, die darüber arbeitet.“ Rosenbaum Wir konnten uns das Thema aussuchen. Auf der Website der Universität waren alle Themen aufgelistet, die für eine Masterarbeit in Frage kamen, angeboten von den unterschiedlichen Laboren. Und natürlich gab es mehr The- men als Studenten. Plötzlich standen Sie in München im Labor, Frau Wittmann, und sollten die Eiweisskomponente des adulten Hämoglobin, eines großen Proteins, erforschen. Wie muss man sich das vorstellen? Wittmann Es gab keinerlei Rezepte, kei- nerlei Instruktionen. Nur in Prag forschte eine Gruppe zu meinem Thema. Die machten Papierchromatographie. Aber man konnte ja nicht einfach nach Prag fahren und sie ausfragen. Also habe ich meinem Betreuer die Artikel der Prager gezeigt und gesagt: „So will ich es auch machen.“ Er war erst dagegen, aber ich habe mich durchgesetzt. Wenn alle zwei, drei Monate Herr Butenandt vorbeikam, hatte ich immer schon alles bereit gelegt. Vorreiterinnen Anandabai Joshee aus Indien, Kai Okami aus Japan und Tabat M. Islambooly aus Syrien absolvierten ihre medizinische Ausbildung am Woman‘s Medical College of Pennsylvania im Jahr 1885. Jede von ihnen wurde damit die erste Frau aus ihren jeweiligen Ländern, die einen Abschluss in der westlichen Medizin erwarb. Bild: http://xdl.drexelmed.edu/item.php?object_id=2373

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