Helmholtz Perspektiven Januar – Februar 2015 7Titelthema Mehr Menschen, mehr Daten Forscher sind auf der Suche nach Konzepten für die Stadt der Zukunft. Wie bewegen wir uns fort? Wie kaufen wir ein, und wie wird unser Leben sicherer? Ein Werkstattbericht aus China, wo Wissenschaftler vor allem auf kluges Datenmanagement setzen Das Gerät sieht aus wie eine normale Gemüsewaa- ge. Doch im Innern verbirgt sich ein Computer, der beim Kauf von Karotten, Broccoli oder Spinat deren Herkunft in Form eines Streifencodes ausdruckt. Ist das Gemüse verdorben oder belastet, kann der Käu- fer damit den Ursprung der Ware bis zum Hersteller zurückverfolgen. Etwa 100 Supermärkte in der zentralchinesischen Millionenstadt Wuhan haben diese Geräte bereits installiert, sagt Li Huimin, Vize- Präsidentin der Pekinger Firma GCKS. Gemeinsam mit einer Pekinger Universität hat das Unternehmen die spezielle Waage entwickelt. „So viele Menschen in China sorgen sich heute um die Sicherheit der Lebensmittel“, sagt Li. Die vielen Skandale um Verunreinigungen haben die Verbraucher verunsi- chert. Wenn sich nun dank der Waage die Sünder aufspüren lassen, soll das abschreckend wirken. Die Firma GCKS entwickelt viele solcher Pro- dukte, mit denen sie Städte in sogenannte Smart Cities umwandeln will. Ihr Portfolio reicht von Cloud-Plattformen für die riesigen Datenberge der Stadtverwaltungen über öffentliche WiFi-Stationen bis zur digitalen Steuerung von Straßenlaternen. Smart City – der Begriff bedeutet allerdings mehr als nur die Digitalisierung einzelner Teilbereiche in einer Stadt: Ziel ist eine Integration aller Daten- ströme. Die aus verschiedenen Quellen gewonne- nen Datenberge – genannt „Big Data“ – werden in neue Anwendungen umgepackt, um bessere Leistungen der Städte für ihre Bürger aufzubauen. Dazu gehören etwa „Open Data“, also der freie Zugang zu Behördendaten, aber auch intelligente Stromnetze und Verkehrslösungen. Smart Cities sind in den vergangenen Jahren auch für Forscher auf der ganzen Welt zu einem wichtigen Thema geworden: Der ungebremste Zuzug in die Großstädte stellt die Wissenschaft vor ungeahnte Herausforderungen etwa beim Aufbau der passenden Infrastruktur und aus- reichenden Versorgung oder der Entwicklung innovativer Wohn- und Arbeitskonzepte. „Im Jahr 1975 waren lediglich 38 Prozent aller Menschen Stadtbewohner. Seit 2008 lebt mehr als die Hälfte der Menschheit in Städten, voraussichtlich im Jahr 2030 werden es zwei Drittel sein“, heißt es beim Forschungsprojekt Future Megacities, das das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung initiiert hat. Das Konzept der Smart Cities soll mithelfen, durch die Vernetzung der verschiedenen Behörden effizientere Lösungen für die Probleme zu finden als bisher möglich – nicht nur in Megastädten, aber auch dort. Ein Beispiel: Schon jetzt zeigen viele Städte in China auf elektronischen Schildern aktuelle Stauzonen an. Eine Folge der Verstädterung Die Hauptverkehrsadern sind regelmäßig verstopft, wie hier in Peking mit seinen insgesamt 5,53 Million Autos. Bild: TonyV3112/Shut- terstock.com