Helmholtz Perspektiven Januar – Februar 2015 22 standPunK tE W er exzellente Forschung fördern will und nicht einzelne Forscher, kann auf den ersten Blick gegen die Anony- misierung von Forschungsanträgen nichts haben. Schließlich werden auch Artikel für Fachzeitschriften doppelt-blind begutachtet – also so, dass weder der Gutachter weiß, wessen Artikel er liest, noch der Antragsteller, wer ihn bewertet. Gerade in kleineren Forschergemeinden, in denen jeder jeden kennt, scheint dies auf den ersten Blick ein Mittel zu sein, um dem Einfluss einzelner Gut- achternetzwerke zumindest ein wenig zu entrinnen. Zugleich finden so die vielleicht besonders innovati- ven Forschungsanträge von jungen und unbekann- ten Forschern eine faire Chance. Doch dann muss man konsequent sein: Keinerlei Informationen zum Werdegang des Forschers und seinem institutio- nellen Umfeld dürften zugelassen sein, da sonst wieder leicht ersichtlich wird, wer sich bewirbt. Auf den zweiten Blick hat eine solche Ano- nymisierung allerdings auch Nachteile. Immerhin geht es darum, Steuergelder auf Forscher zu ver- teilen – und da ist eine Einschätzung wichtig, wie groß die Chancen einer erfolgreichen Umsetzung sind. Denn gerade bei Anträgen zu hochinnovati- ven Vorhaben kann man schwerlich voraussetzen, dass die Forschung bereits zu 70 bis 80 Prozent erledigt ist; solche Anträge erfordern Forscher, die über ihren gegenwärtigen Horizont hinausgehen und sich neue Bereiche erschließen können. Infor- mationen über den Bewerber und die Institution sind da wichtige Anhaltspunkte. Ich selbst dürfte mit meinem Antrag zu einer Arbeit über „Kommunikation und Wahrnehmung von Warnungen“ bei der auf Sicherheit setzenden Deutschen Forschungsgemeinschaft oder ihrem englischen Pendant ESRC deutlich weniger Chan- cen gehabt haben als beim ersten „Starting Inves- tigator Call“ des Europäischen Forschungsrats, bei dem ich meinen Antrag schließlich eingereicht habe. Dort wurde deutlich gemacht, dass echte In- novation eben auch mit einem höheren Risiko des Scheiterns einhergeht. Außerdem war klar, dass nur jüngere Forscher miteinander konkurrieren. Dieses Verfahren ist sehr aufwendig und lässt sich sicher nicht eins zu eins auf eine nationale Ebene übertragen. Statt einer Anonymisierung wäre es besser, in den Ausschreibungskriterien mehr Risikobereitschaft zu zeigen, mehr internationale Gutachter einzusetzen, Interessenskonflikte klarer und weiter zu definieren und regelmäßig andere Gutachter einzusetzen. „Es würde helfen, in den Ausschreibungskriterien mehr Risikobereitschaft zu zeigen und mehr internationale Gutachter einzusetzen“, sagt Christoph Meyer, Professor für Europäische und Internationale Politik am King‘s College London Besser anonym? Bei der Begutachtung von Forschungsanträgen gehe es mehr um die Personen als um die inhalte, urteilen Kritiker. denn Forscher wissen, wessen anträge oder Paper sie bewerten. die bisherige Praxis ist in die diskussion geraten. ist anonymität die lösung? Zwei Blickwinkel