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Helmholtz Perspektiven November 2015

Helmholtz Perspektiven November – Dezember 2015 33ForScHung joggen, hat nach einer Reihe positiver Erfahrungen ebenfalls einen Belohnungseffekt zur Folge – eine Alltagssucht, die sogar positive Folgen hat. Doch der Belohnungseffekt ist auch verantwortlich für das exzessive Betrachten von Serien, manche Fans schauen fünf, sechs Episoden am Stück. Und für das beständige Essen von Schokolade oder Gum- mibärchen. Was davon ist nun eine echte Sucht? Drei von vier Deutschen trinken täglich mindestens eine Tasse Kaffee. Sind sie alle süchtig? Fünf bis acht Prozent der Bevölkerung haben Expertenschät- zungen zufolge ein erhöhtes Risiko, kaufsüchtig zu werden. Aber wann sind sie es? Wo verläuft die Grenze zwischen einer gefährlichen Krankheit und einer harmlosen Angewohnheit? „Wer genug Geld hat, kann viel kaufen, ohne dass es ihm zum Verhängnis wird. Wer sehr schlank ist, braucht sich keine Gedanken zu machen, dass der häufige Schokoladenkonsum an- setzt“, sagt Psychologin Chantal Patricia Mörsen. Und die tägliche Dosis Koffein dürfte auch keinen Schaden anrichten, wenn man nicht gerade deut- lich zu hohen Blutdruck hat. Wann eine Sucht ins Krankhafte abgleite, lasse sich daran festmachen, ob sie dem Betroffenen direkt schade. Doch eine krankhafte Sucht hat auch andere Charakteristika. „Sie dient oft als Ersatzbefriedi- gung für etwas, was man nicht anders bekommt“, sagt Mörsen. Wer beispielsweise im Job keine An- erkennung oder in der Ehe keine Bestätigung be- komme, der suche positive Gefühle und Erlebnisse auf andere Weise. Schnell wird das Suchtverhalten dann zum zuverlässigen Strohhalm, nach dem man immer greifen kann und der so eine Flucht vor den eigenen Problemen ermöglicht. Doch bald muss die Reizintensität erhöht werden, um die gleiche Zufriedenheit wie am Anfang zu erzielen. Ein Teufelskreis beginnt. Wie weit man schon in der Suchtspirale drin steckt, lässt sich bei der Glücksspielsucht anhand eines Katalogs von neun Merkmalen messen; wenn vier davon erfüllt sind, sprechen Experten von einer Sucht. Zu den Merkmalen zählen zum Beispiel die Toleranzentwicklung: Immer höhere Einsätze sind nötig, um das gleiche Glücksemp- finden auszulösen. Und der Kontrollverlust, der einen Spieler dazu führt, doch wieder 500 Euro im Casino einzusetzen, auch wenn er sich ein Limit von 100 Euro gesetzt hat. Der Merkmalkatalog ist auf viele andere Suchterkrankungen übertragbar. Dass ausgerech- net die Glücksspielsucht – von der in Deutschland nach einer Studie der Bundeszentrale für ge- sundheitliche Aufklärung fast 500.000 Menschen betroffen sind – so sorgfältig dokumentiert ist, hat einen einfachen Grund: Als einzige Sucht, die durch ein Verhalten ausgelöst wird, ist sie im internationalen Krankheitsverzeichnis psychi- scher Störungen eingetragen, dem sogenannten DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders). In der Fachwelt sorgte es unlängst für Aufsehen, dass die Glücksspielsucht dort umsor- tiert wurde – von den sogenannten Impuls-Kon- trollstörungen zu den stoffungebundenen Süchten, den Verhaltenssüchten. „Die Erweiterung des Suchtkonzepts um die stoffungebundenen Süchte hat große praktische Relevanz, gerade auch in Bezug auf Therapien“, sagt der Psychologe Patrick Trotzke von der Universität Duisburg-Essen. Wie aber lässt sich eine krankhafte Sucht behandeln? Wer nicht allein davon loskommt, kann sich laut der Charité-Expertin Chantal Patricia Mörsen zunächst an Suchtberatungen oder Vereine wie die Anonymen Spieler wenden, die es mittler- weile in jeder kleineren Stadt gibt. Erst als letzte Lösung solle man sich stationär behandeln lassen. „Sucht ist keine Einbahnstraße. Viele schaffen es ohne professionelle Hilfe, sich dem Suchtverhalten lang genug zu entziehen, so dass der Druck gerin- ger wird“, sagt Mörsen.  Christian Heinrich Der Kick im Casino Eine halbe Million Menschen in Deutschland sind spielsüchtig. Bild: istockphoto.com/anna42fa

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