23 Helmholtz Perspektiven März – April 2014 standpunkte N eue Technologien haben meist drei Probleme: Erstens sind Wissenschaft und Industrie zu euphorisch und zu optimis tisch. Zweitens erwarten Medien und Öffentlichkeit zu viel. Und drittens werden mögli che Risiken gar nicht oder zu spät erforscht. Trifft das auch auf die Nanotechnologie zu? Erfreulicher weise nicht vollständig. Denn hier werden bereits während der Entwicklung neuer Anwendungen mögliche nachteilige Folgen wie die Giftigkeit der Stoffe ermittelt. So gab es bereits in den frühen 1980er Jahren erste Studien zur Toxikologie von Nanopartikeln. Dass so intensiv geforscht wurde und immer noch wird, schlägt sich auch in der Akzeptanz der Anwendung von Nanomaterialien nieder: Umfragen der Stiftung Risiko-Dialog haben ergeben, dass die europäische Bevölkerung Nano technologien gegenüber sehr positiv eingestellt ist. Dennoch gibt es eine bedenkliche Entwick lung, die die Gesellschaft kaum wahrnimmt: In der Disziplin der Nanotoxikologie steht die wissen schaftliche Integrität auf dem Prüfstand. Wegen des hohen Finanzaufkommens der Forschungsför derer tummeln sich hier enorm viele Kollegen und Kolleginnen, deren Ausbildung häufig gar nicht auf dem Gebiet der Toxikologie liegt. So entstehen zahlreiche Publikationen, die biologische Wirkun gen von Nanomaterialien nachweisen, jedoch mit der toxikologischen Lupe betrachtet auf falschen Vorbedingungen wie zum Beispiel einer Überdo sierung basieren. Wir haben, ohne es bisher zu be merken, die Ebene der Zuständigkeiten verlassen. Jeder wird zum Experten, und die daraus folgenden Headlines zu den Gefahren der Nanotechnologie ziehen munter ihre Kreise in der Tagespresse: „Töd liche Gefahr in der Zahnpasta“ ist dann zu lesen. Weil viel Geld fließt, werden die Regeln guter wissenschaftlicher Arbeit leider zu oft ignoriert. Dies untermauern zahlreiche Beispiele wie eine in zwischen widerlegte Studie zum Tod von Arbeitern durch Nanopartikel in einer chinesischen Farben fabrik. Es ist wichtig, sich wieder an die Regeln der Toxikologie zu halten und diese auch so an den Hochschulen zu lehren. In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben wir das versäumt. Dabei überse hen wir, dass für eine nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung gerade neuer Technologien eines ganz wichtig ist: eine dauerhafte, wissenschaftsbasierte Risikoforschung. Auf dieser Basis brauchen wir keine Angst vor Nano zu haben. „Weil viel Geld fließt, werden die Regeln guter wissenschaftlicher Arbeit in der Nanotoxikologie leider zu oft ignoriert“, sagt Harald Krug von der Empa, Swiss Federal Laboratories for Material Science and Technology, St. Gallen