Helmholtz Perspektiven Mai – Juni 2015 8 titElthEMa in Berlin, befürchtet, die Energieforschung könnte durch die Politik in die falsche Richtung gescho- ben werden – eine Richtung, die, wenn man das 40-Prozent-Ziel erreichen wolle, eindeutig nicht die vielversprechendste sei. „Die Forschungsförderung für Energiethemen ist stark top-down organisiert, sie ist eng an politische Vorgaben geknüpft.“ Auch Philipp Nießen vom Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) kritisiert: „Staatlich wird nur geför- dert, was im Einklang mit der Energiepolitik steht.“ Anders formuliert: Die Politik frage zu wenig bei der Forschung nach, wo sie tatsächlich das größ- te Potenzial für Innovationen sehe, sie schmücke sich lieber mit Prestigeprojekten, die eindrucksvoll auf geballte Hightech setzen, doch als Vorbild für eine alltägliche Umsetzung zu teuer sind. Harte Vorwürfe – aber sind sie auch berechtigt? Nein, sagt Bernd Rech vom Helmholtz-Zentrum Berlin – zumindest nicht in der pauschalen Form. „Was haben wir denn an Alternativen zu Wind und Sonne? Biomasse und Geothermie sind wichtige Ergänzungen, aber im Potenzial oder in der techni- schen und wirtschaftlichen Umsetzbarkeit deutlich beschränkter.“ Und bei der Akku-Forschung gelte: „Ein Energiesystem, das auf Erneuerbaren beruht, wird immer auf Energiespeicher angewiesen sein – nicht nur, aber eben auch auf Batterien.“ Fest steht: Die deutsche Solarbranche steckt in der Krise. Zahlreiche Unternehmen sind im vergangenen Jahrzehnt gegründet worden – und auch wieder Pleite gegangen oder abgewandert. Auf absehbare Zeit produziert die Konkurrenz aus Asien günstiger – und das sogar auf technologisch ver- gleichbarem Niveau. Auch wegen der Subventions- politik, sagen Experten rückblickend, seien manche deutsche Hersteller schlicht zu bequem geworden. War’s das also mit der deutschen Solarforschung? „Ich warne sehr, in der Photovoltaikforschung nachzulassen“, sagt Bernd Rech. „Das ist eine der jüngsten Technologien zur Energieerzeugung, mit gewaltigen Fortschritten und noch viel Potenzial.“ Wer heute aus der Forschung aussteigen wolle, ver- hindere die Innovationssprünge von morgen. Anstatt nur auf das Jahr 2020 zu schauen, müsse man die Ziele der Energiewende bis 2050 im Blick behalten. „Da ist noch viel drin. Wir haben eine exzellente Forschungsinfrastruktur auf diesem Gebiet, die sollten wir nutzen und nicht in kurzfristiges Denken verfallen.“ Fest steht allerdings auch: In der deutschen Akkubranche ist selbst ein Strohfeuer wie in der Solarindustrie bislang ausgeblieben. International bedeutende Akku-Produzenten sucht man hierzulan- de vergebens. In den ersten Batteriespeichern, die titElthEMa8 B r u t t o s t r o M E r Z E u g u n g A uf den ersten Blick ist sie ein Erfolgs- modell: Seit die Bundesregierung 2011 die Energiewende verkündet hat, ist nicht nur die Zahl der Wind- kraftanlagen drastisch angestiegen, vielerorts glänzen mittlerweile auch Solaranlagen auf den Dächern. Gute Nachrichten gibt es zudem von hoher See: Die Offshore-Wind- parks haben zum Jahreswechsel erstmals mehr als 1000 Megawatt Strom produziert, das entspricht dem Energieverbrauch von 600.000 Haushalten. In der Summe deckt Strom aus erneuerbaren Quellen schon 27 Prozent unseres Bedarfs – mehr als in vielen anderen Industrieländern. Deutschland gilt international als Vorbild in Sachen grüner Strom. Auf den zweiten Blick ist die Situation kompli- zierter. Bis 2020 will die Bundesregierung den deut- schen Ausstoß des klimaschädlichen Kohlenstoff- dioxids (CO2 ) um 40 Prozent senken im Vergleich zum Jahr 1990. Ende 2014 waren erst 27 Prozent erreicht – und das waren die einfacheren Prozent- punkte, wenn man sich das Vergleichsjahr genauer anschaut: 1990 rauchten sie noch, die Schornsteine der DDR-Industrieanlagen, und Windräder und Solar- anlagen waren entfernte Fantastereien von ein paar Umweltbewegten. Die Frage, die sich nun stellt: Wie schaffen wir die letzten 13 Prozent? Denn genau an diesen, da sind sich viele Experten einig, hängt die Glaubwür- digkeit der Energiewende. Volker Handke, Energieexperte am Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) i n t E r a K t i V E i n F o g r a F i K Eine ausführliche Infografik zu den Säulen der Energiewende finden Sie unter: www.helmholtz.de/infografik