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Helmholtz Perspektiven Mai 2015

27 Helmholtz Perspektiven  Mai – Juni 2015 Forschung Sein Haar färbt sich von grau zu blond, seine Haut wird glatter, sein Körper kräftiger. Benjamin altert nicht. Er wird jünger. Seine Lebensuhr läuft rückwärts. Im Film „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ ist das möglich, Regisseure experimentie- ren häufig mit der Zeit. Schon die ersten Filmvor- führer machten sich einen Spaß daraus, die Bilder rückwärts laufen zu lassen. Umgestürzte Mauern richteten sich wieder auf, Scherben fügten sich zu Tassen zusammen und sprangen zurück in die Hand ihrer Besitzer. Das Publikum lachte, weil das in Wirklichkeit unmöglich ist. Oder doch nicht? Im Oktober 2014 ist in einer der renommier- testen Fachzeitschriften für Physik, den Physical Review Letters, eine neue Theorie über den Zeitpfeil erschienen, also die zeitliche Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Autoren Julian Barbour, Tim Koslowski und Flavio Mercati befassen sich in dem Text mit einem der großen Rätsel der Physik: Warum erleben Menschen Zeit nur in eine Richtung? Diese Frage ist für Physiker weniger abwegig, als sie auf den ersten Blick zu sein scheint. Für die wichtigsten Gesetze der Physik – vom Gravitations- gesetz über die Relativitätstheorie bis zur Quanten- mechanik – spielt die Richtung der Zeit keine Rolle. Sie würden genauso funktionieren, wenn die Zeit in die umgekehrte Richtung laufen würde. Gleichzeitig hat jede Ursache eine Wirkung. Alles, was aus vielen Teilchen besteht, geht vom geordneten in den ungeordneten Zustand über. Ordnung nimmt ab. Erklärt wird das durch den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, einem Gebiet der klassischen Physik, das die verschie- denen Formen der Energie und ihrer Umverteilung beschreibt. Es kann aber auch jeder beobachten, der eine Wohnung aufräumen muss, seinen Kaffee vergisst oder einen Spiegel besitzt: Kaffee wird kalt, der Körper wird alt. Es handelt sich um eine Beobachtung, die man überall auf der Welt machen kann, hier auf der Erde genauso wie auf dem Mond. Man kann sie deshalb für eine prinzipielle Eigenschaft der Natur halten: Die Zeit läuft vorwärts. Dass dem nicht so sein muss, haben die Physiker um Julian Barbour nun in einem Gedankenexperiment gezeigt. Am Computer stellten sie eine Situation nach, die dem Urknall ähnelt. Dabei zeigte sich, dass die Teilchen von diesem Punkt an durch die Schwerkraft in zwei Richtungen expandierten. In beide Richtungen entstanden komplexe Systeme, ähnlich denen von Galaxien. „Ich war selber überrascht, wie simpel die Lösung für das Zeitpfeil- Problem sein könnte“ Die Physiker folgerten: Aus dem Urknall können sich zwei Universen entwickelt haben, die sich stark ähneln, nur dass in dem einen Universum die Zeit vorwärts läuft und in dem anderen rückwärts. Für uns sieht es wie ein unumstößliches Gesetz aus: Die Zeit läuft immer vorwärts. Dabei muss sie das vielleicht gar nicht. Womöglich gibt es sogar noch ein zweites Universum, in dem sich die Uhren rückwärts bewegen Im Universum des Benjamin Button

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