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Helmholtz Perspektiven Jan 2015

Helmholtz Perspektiven Januar – Februar 2016 8 tIteLtHeMA Forschungsobjekt für Wissenschaftler geworden, die nach Alternativen suchen. „Sand ist der unbekannte Held unserer Zeit“, sagt der britische Geologe Michael Welland von der University of Nottingham: Keine Wolkenkrat- zer aus Stahlbeton, keine Straßen wären ohne Sand denkbar. 15 Milliarden Tonnen werden jährlich weltweit aus der Natur abgebaut, an Land und am oder im Meer. Der Meeressand eignet sich zum Beispiel sehr gut für die Herstellung von Be- ton, weil Zement optimal an die oft unregelmäßig geformten, eher eckigen Körner anhaften kann. Für den Abbau kommen riesige schwimmende Saugbagger zum Einsatz, deren Rüssel bis zu 150 Meter in die Tiefe reichen. Wüstensand, der besser verfügbar wäre, eignet sich wegen seiner glatten, runden Körnerform für viele Einsatzgebiete nicht (Interview S. 12), sodass Sand aus dem Meer verwendet wird, wenn keine anderen Sand- und Kieslagerstätten verfügbar sind. In saudi Arabien stirbt ein ganzes Korallenriff ab; in anderen Regionen ersticken Algen und seegräser Die Folgen des Abbaus für die Ökosysteme sind oft verheerend: Die Saugrüssel wirbeln das Sediment mitsamt seiner Bewohner auf und hinterlassen Lö- cher im Meeresgrund. Und die Ozeane reagieren empfindlich auf Veränderungen: Von der Was- seroberfläche bis hinein ins Sediment stören die Bagger eine komplexe Abfolge von Schichten. „Schon der Vorgang des Sandabsaugens stellt einen Störfaktor dar: Sandstaubfahnen verbreiten sich kilometerweit um die Abbaustelle, das Sedi- ment lagert sich an anderer Stelle wieder ab, wo es eigentlich gar nicht hingehört und wo es die dor- tige Sedimentzusammensetzung verändert oder die dort lebenden Bodenorganismen begräbt“, sagt Martin Wahl. Er ist Meeresbiologe am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel und Mitglied des dort angesiedelten Exzellenzclus- ters „Ozean der Zukunft“. In Saudi-Arabien beob- achtete Wahl, wie ein komplettes Riff abstirbt, weil durch den Sandabbau fremdes Sediment die Ko- rallen bedeckt. In anderen Regionen werden Algen und Seegräser mit Sand bedeckt und ersticken. In seinem Forschungsgebiet, der Meeresökologie, beschäftigt sich Wahl auch mit Stressfaktoren im Ökosystem. „Algen und Seegräser sind essenziell für die Ozeanhygiene. Sie binden Kohlendioxid (CO2 ) und produzieren Sauerstoff. Wird eine Fläche von zehn Quadratmetern abgesaugt, ist das S and, wohin man blickt, Millionen Quadrat- meter weit, flach oder zu imponierenden Dünen aufgeschichtet: Die gigantischen Sandberge der Sahara sind bis zu 100 Meter hoch, können über eine Million Tonnen Sand in sich versammeln und leuchten gelb, beige, hellgrau, orange. In anderen Regionen der Erde ist Sand schneeweiß, dunkelgrau, gesprenkelt oder auch blutrot – in unzähligen Farbschattierun- gen, die das bloße Auge kaum erfassen kann, je nachdem, welches Gestein an der Entstehung des Sandes vor Tausenden von Jahren beteiligt war. Der Sand hat aber nicht nur ästhetische Reize: An den Küsten und am Grund der Ozeane ist er ein Tummelplatz für Tausende Lebewesen. Und er dient als Bollwerk gegen die anbrandenden Wellen, schwächt deren Wucht, schützt so die Küstenbewohner. Doch genau dieses Ökosystem ist vielerorts gefährdet: Der Sand schwindet, er wird in großen Mengen abgebaut. Für Beton, Glas, Computerchips, Papier, Putzmittel, Zahnpasta, Kosmetika und vieles mehr ist er unverzichtbarer Bestandteil. Nach Angaben der Umweltbehörde der Vereinten Nationen wird mit Ausnahme von Wasser keine andere Ressource in so gro- ßen Mengen verbraucht. „Sand, rarer than one thinks“ hat die Behörde deshalb 2014 ein Dossier überschrieben. Wegen der gewaltigen Nachfrage sind in den vergangenen Jahren die Kosten für Sand explosionsartig gestiegen – und er ist zum Sandfresser Die Saugrüssel der Baggerschiffe wirbeln das Sediment und seine Bewohner auf und hinterlassen Löcher im Meeresgrund. Bild: GEOMAR

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