Helmholtz Perspektiven Januar – Februar 2016 20 FORSCHUNG Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Depressionen. Einer der Hauptgründe dafür ist den Experten zufolge, dass die meisten regulativen Hormone im Körper einen 24-Stunden-Rhythmus haben. Das körpereigene Anti-Stress-Hormon Kortisol beispielsweise folgt einem solchen circadianen Rhythmus: Unmittelbar vor dem Aufstehen wird es in erhöhter Konzentration ausgestoßen, um es dem Körper zu ermöglichen, mit dem Stress durch das Aufwachen umzugehen. Im Laufe des Tages nimmt die Konzentration kontinuierlich ab und bleibt nachts konstant niedrig, da kein Stress zu erwarten ist. „Wenn aber unser Schlafrhythmus gestört ist, verändert sich auch der Rhythmus, in dem Kortisol ausgeschüttet wird“, sagt Karl-Heinz Ladwig, Professor am Institut für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München. „Etwas Ähnli- ches lässt sich auch bei vielen anderen Hormonen oder beispielsweise beim Blutdruck beobachten. Hält die Schlafstörung länger an, kommen die cir- cadianen Rhythmen durcheinander und es kommt zwangsläufig zu Fehlleistungen.“ Ein durch Schlafstörungen oder Schlafmangel bedingtes hormonelles Ungleichgewicht führt zu einem Risiko für Diabetes und Adipositas, also Fettleibigkeit. „So kann ein mit Schlafstörungen einhergehender Mangel des Hormons Leptin, das unser Hungergefühl hemmt, Adipositas begünsti- gen“, sagt Alfred Wiater. Neben körperlichen Erkrankungen ist auch der Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen ein bekanntes Phänomen. Wiater und seine Kollegen konnten in der Kölner Kinderschlafstudie ein erhöhtes Risiko für Hyperaktivität und emotionale Störungen wie Angstzustände und Depressionen bei Kindern und Jugendlichen nachweisen. Darüber hinaus zeigte sich, dass Schlafstörungen zu Konzentrations- und Ausdauerproblemen sowie eingeschränkter schuli- scher Leistungsfähigkeit führen. „Die optimale schlafumgebung ist dunkel, still und maximal 18 Grad temperiert“ Eine aktuelle, im Journal Sleep veröffentlichte Studie zeigt, dass vor allem unterbrochener Schlaf zu Stimmungsschwankungen führt. Menschen, die in der Nacht mehrfach aufwachen, weil sie sich um ihr Kind kümmern müssen, der Partner schnarcht oder Lärm sie stört, sind demnach unausgegliche- ner und weniger leistungsfähig. „Durch unterbro- chenen Schlaf wird die Schlafarchitektur gestört. Das ist schädlich“, sagt Ladwig. „Die Studie unterstreicht im Wesentlichen, dass die Qualität des Schlafs wichtiger ist als die Quantität.“ Die zunehmende Globalisierung und perma- nente kommunikative Verfügbarkeit stört empfind- lich den Tag-Nacht-Rhythmus, was wiederum zu Schlafstörungen führt. „Die optimale Schlafumge- bung ist dunkel, still und maximal 18 Grad tempe- riert“, sagt Alfred Wiater. So induziere Dunkelheit die Ausschüttung des Einschlafhormons Melatonin. Fehlt es oder ist es in geringerer Menge vorhanden, etwa durch künstliches Licht, stört das den natürli- chen Wach-Schlaf-Rhythmus, der Schlaf ist schlech- ter. Nicht nur künstliche Lichtquellen wirken den natürlichen Hell-Dunkel-Einflüssen entgegen, auch erfordert der Alltag der meisten Menschen, dass sie zu einer bestimmten Zeit aufstehen müssen. Dazu kommen Wecker, Mobiltelefone oder der zuneh- mende Verkehr, die den Schlaf stören. An neue Bedingungen und Störfaktoren kann man sich nur scheinbar gewöhnen. „Schlafen wir einige Zeit bei extremem Lärm oder in hellen Räumen, kommen wir damit zwar nach eigenem Empfinden zurecht, Daten zeigen aber, dass die körperlichen Folgen weiter Bestand haben“, sagt Ladwig. „Gleiches gilt für die zunehmende Unsi- Nicht erholsam Lärm, künstliches Licht oder Ablenkung durch elektronische Geräte stören den Tag-Nacht-Rhythmus. Bild: Justin Paget/Corbis