tIteLtHeMA Helmholtz Perspektiven Januar – Februar 2016 11 an die Küsten und ins Meer transportiert. Durch physikalische Einwirkungen – die Energie des fließenden Wassers, die Reibung am Untergrund im Flussbett – erhält der Sand seine typische Korngröße und Form.“ Das Verschwinden des Sandes und das Schrumpfen der Strände hängen nicht nur mit den Baggern und Sandsaugern zusammen, sondern auch mit künstlichen Eingriffen in die Natur, sagt Emeis. Staudämme beispielsweise, die den Sand auf dem Weg zum Meer abfangen, oder auch Fluss- begradigungen und Betonmauern, die als Schutz- wälle vor Küsten gebaut werden, beeinflussen den natürlichen Sandtransport. Etwa 50 Prozent des Sandnachschubs, der in Flüssen geführt wird, erreicht deshalb nach Expertenschätzungen nicht das Meer. In reichen Ölstaaten wie Dubai bildet Sand wortwörtlich das Fundament: Die künstlichen Inselwelten „The Palm Jebel Ali“, die der Emir von Dubai vor seiner Küste kreieren ließ, sind mit 450 Millionen Tonnen Sand aufgeschüttet worden – auch das nicht aus Wüstensand, weil er zu schnell wieder verwehen würde. Dubai importiert den Sand deshalb aus Australien. Dort, im Nordosten an der Küste vor Brisbane, ist die vermutlich welt- weit größte Abbaustelle für marinen Sand. Fünf Milliarden Dollar verdient Australien pro Jahr mit dem Sandexport. Doch vor allem der wilde Sandabbau ist ein Problem. Längst ist Sand zum Objekt kriminel- ler Machenschaften geworden, hauptsächlich in Regionen der Erde, die früher nicht wie Deutsch- land von Gletschern bedeckt waren. Sie verfügen deshalb nicht über große Sand- und Kieslagerstät- ten landeinwärts, aus denen sie Bausand schöpfen könnten. Das zeigte der französische Filmemacher Denis Delestrac 2013 in seiner Dokumentation „Sand – Die neue Umweltzeitbombe“. Sein Film be- wegte die Umweltbehörde der Vereinten Nationen letztlich dazu, das Verschwinden des Sandes auf ihre Agenda zu setzen. zum massenhaften sandabbau gibt es Alternativen, zum Beispiel das Recycling von Bauschutt Während in der EU strenge Gesetze den Sandab- bau reglementieren und beispielsweise in Deutschland und den Niederlanden Sand aus dem Meer fast ausschließlich für Aufspülungen, also für die Rückgewinnung oder für Küsten- schutzmaßnahmen verwendet wird, schert sich in Schwellen- und Entwicklungsländern wie Marokko, Thailand, Indien oder Indonesien kaum jemand um Verbote. Häufig zählt nur, dass reiche Nachbarstaaten wie die Arabischen Emirate oder Singapur bereit sind, enorme Summen für etwas zu zahlen, das kostenlos an den eigenen Strän- den herumliegt. Die Folgen sind gravierend: In Indonesien etwa sind durch die Erosion bereits zwei Dutzend Inseln versunken. Was der Klima- wandel dort noch nicht geschafft hat, schaffen die Sandsauger. Menschen verlieren ihre Heimat und ihre Existenzgrundlage. „Und der Teufelskreis des Sandverbrauchs setzt sich fort, wenn Tausende heimatlos gewordene Inselbewohner sich auf einer anderen Insel niederlassen und dort neue Häuser gebaut werden müssen, um sie unterzubringen“, sagt Kay-Christian Emeis. Zum massenhaften Sandabbau gäbe es Alternativen, zum Beispiel Bauschuttrecycling. In Deutschland werden bis zu 90 Prozent des Abbruchmaterials wiederverwendet. Doch die Weiterbehandlung des Bauschutts kostet Geld. Und solange Sand noch billiger und einfacher zu haben ist, als Bauschutt zu recyceln, wird sich diese Alternative kaum durchsetzen. Mareike Knoke Auf Sand gebaut Für die künstlichen Inselwelten „The Palm Jebel Ali“ in Dubai ließ der Emir 450 Millionen Tonnen Sand aufschütten, der aus Australien importiert wurde. Bild:picture alli- ance/ZB/euroluftbild.de