Helmholtz Perspektiven September – Oktober 2013 herkömmlichen Schmelz-Schweißverfahren mit hohen Temperaturen von bis zu 700 Grad Celsius. Die Anforderungen an solche Fügetechniken sind extrem hoch: „Sie müssen kostengünstig sein, hochproduktiv, effizient und vor allem den Sicher- heitsanforderungen im Flugzeugbau genügen. Eine Schweißnaht muss die ganze Lebensdauer eines Flugzeugs halten“, sagt Norbert Huber. Die Helmholtz-Forscher in Geesthacht setzen daher auf ein relativ neues Schweißverfahren, das erst 1991 patentiert wurde und seit Mitte der neunziger Jahre etwa im Raketen- und Schiffbau Anwendung findet: das Rührreibschweißen. „Hier wird mit wesentlich niedrigeren Temperaturen von um die 400 Grad Celsius gearbeitet. Dabei wird nichts geschmolzen, sondern das Material wird zunächst durch Reibungswärme teigig gemacht und dann mit- einander vermischt“, erklärt dos Santos. „Es wird durch die Rotation eines mechanischen Werkzeugs in Scherströmungen versetzt, wie ein im Becher umgerührter Joghurt“, ergänzt Norbert Huber, von Haus aus Werkstoffmechaniker. „Nach dem Ab- kühlen bildet das Material eine neue und sehr viel feinere Mikrostruktur, die sehr gute mechanische Eigenschaften hat. Ein möglicher Qualitätsverlust bei der Erwärmung wird durch die feinere Mikro- struktur teilweise wieder wettgemacht.“ Die Vorteile des Rührreibschweißens für den Flug- zeugbau sind vielfältig: „Es ist ein robustes Verfah- ren, das nicht auf kleine Fertigungsabweichungen reagiert und sich daher sehr gut als Produktions- verfahren eignet“, sagt Jorge dos Santos. Und es ist heute schon um die Hälfte schneller als das Setzen von Nieten, „anderthalb Meter pro Minute schaf- fen wir jetzt“, erklärt der Materialwissenschaftler. Außerdem leichter – im Vergleich zu einer genie- teten Konstruktion wird ein halbes Kilogramm pro Meter Schweißnaht eingespart. Die Lebensdauer der Flugzeugstruktur verlängert es ebenfalls, weil im Gegensatz zu Ermüdungsrissen an Nietlöchern keine Quellen für Rissbildung eingebracht werden – das war die Ursache bei dem Unglücksflug der Aloha Airlines. Der sechsfache Lebenszyklus eines normalen Flug- zeugs ist beim Hersteller Embraer in Brasilien mit Rührreib-geschweißten Teilen bereits simuliert wor- den, ohne dass Risse entstanden wären. Das neue Verfahren bietet sich nicht nur beim Zusammen- fügen von Flugzeug-Hautfeldern an, sondern auch bei den Fensterrahmen in Flugzeugen, die heute stets genietet werden. „Da sparen wir zusätzlich pro Fenster nochmal 200 Gramm Gewicht“, sagt Huber. Am Helmholtz-Zentrum Geesthacht wird nicht nur Grundlagenforschung betrieben, sondern auch die praktische Umsetzbarkeit von Innovationen erprobt. Dazu verfügt das Institut für Werkstoffme- Genau in der Spur Ein Schweißkopf fährt die Naht entlang. Bild: Helmholtz-Zentrum Geesthacht/Christian Schmid Unfreiwillig luftig Risse an Nietenreihen verwandelten diesen Flieger 1988 in ein Cabrio. Bild: picture alliance/AP Photo/ Robert Nichols