26 forschung Helmholtz Perspektiven September – Oktober 2013 Auf Kollisionskurs In Strahlrohren lassen Forscher Protonen mit großer Wucht aufeinander prallen. Bild: CERN/Maximilien Brice zu reparieren, dass der Betrieb wieder aufgenom- men werden konnte. Sicherheitshalber entschieden die Wissenschaft- ler am CERN deshalb, zunächst bei halber Ener- gie weiter zu machen und erst bei der jetzigen Betriebspause die rund zehntausend Verbindungen zwischen den Magneten durch neue Modelle zu ersetzen. Ab 2015 soll der Beschleuniger dann mit der vollen Energie von 14 Teraelektronenvolt wieder in Betrieb gehen. Auf den Spuren des Higgs-Teilchens Aber auch die halbe Energie war ausreichend, um das Higgs zu entdecken. „Damit konnten wir nach fünfzig Jahren endlich den Baukasten der Teilchen- physik komplettieren“, sagt CERN-Generaldirektor Rolf Heuer. Das Higgs-Teilchen zu finden war so wichtig, um die letzte Lücke im Standardmodell der Teilchenphysik zu schließen. Diese Theorie be- schreibt die elementaren Teilchen der Materie und die Kräfte, die sie zusammenhalten. Aber nur das Higgs-Teilchen verleiht ihnen eine Ruhemasse, ohne die keine stabile Materie existieren könnte. Ursprung der Masse, Herkunft der Materie und ihr Zustand kurz nach ihrer Entstehung: Wer solche Urfragen der Menschheit angehen will, muss sich durch ungeheure Datenmengen wühlen. Die vier Großgeräte verarbeiten so viele Informationen, wie sie entstünden, wenn jeder Erdenbürger gleichzeitig mehrere Dutzend Telefonate führte. Spezielle Filter reduzieren diesen Datenwust, der im Rechenzen- trum des CERN gespeichert und Forschern weltweit zur Verfügung gestellt wird. Helmholtz-Forscher vom Karlsruher Institut für Technologie unterstüt- zen hier die zahlreichen Wissenschaftler bei der Datenanalyse. Aber wohin geht die Reise nun, da mit dem Higgs der letzte Baustein des Standardmodells nach- gewiesen ist? „Wir wissen noch nicht, ob das gefundene Higgs genau die Eigenschaften trägt, die das Standardmodell vorhersagt“, erklärt Theoretiker Robert Harlander den Fokus der kommenden Unter- suchungen. Manche Theorien erwarten ein Higgs- Teilchen, das ebenfalls zum jetzigen Fund passen, sich in Details jedoch unterscheiden würde. Andere Theorien gehen von mehreren Higgs-Teilchen aus oder von anderen, noch unbekannten Partikeln, die sich mit dem auf volle Energie umgerüsteten Beschleuniger erzeugen lassen sollten. Vielleicht werden auch erst neue Beschleuniger Aufschluss bringen. Weltweit arbeiten Teilchenphysiker bereits an neuen Konzepten für künftige Großgeräte, die mit höherer Präzision laufen sollen. Das ist aber Zukunftsmusik. Bis dahin wird das CERN mit sei- nem riesigen unterirdischen Tunnel der wichtigste Anlaufpunkt für die Teilchenphysiker aus aller Welt bleiben. Dirk Eidemüller Large Hadron Collider: www.lhc-facts.ch Experimente am CERN und Besucherdienst: http://home.web.cern.ch/about/ experiments