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Helmholtz Perspektiven Mai 2016

10 Titelthema Denn den Hauptanteil aller Klimagase machten immer noch die menschgemachten Emissionen aus – und je geringer diese seien, desto geringer sei auch das Auftauen des Permafrosts. Neben den langfristigen Effekten für den Klimawandel hat auftauender Permafrostboden auch viele unmittelbare lokale Folgen, die weltweit mehrere Millionen Menschen betreffen können. Häuser, Schulen, Straßen, Flughäfen oder Pipelines sind auf dem gefrorenen Boden gebaut, und wenn er auftaut, droht ihnen ein ernsthaftes statisches Problem. Mitunter müssen ganze Dörfer umge- siedelt werden, so wie es in Kanada und Alaska wegen zunehmender Küstenerosion bereits ge- schehen ist. Guido Grosse ist Festgesteinsgeologe und hatte im Studium nichts mit der Permafrost- Forschung zu tun. Doch auch er hat sich mit der Begeisterung dafür schnell infiziert. Bei seiner Diplomarbeit im Jahr 1999 kam er mit dem Thema in Berührung, als er an einer Sibirien-Expedition teilnahm. „Davon war ich so angetan, dass ich meine anschließende Doktorarbeit zum Thema Landschaftsdynamik in Sibirien hier am AWI geschrieben habe“, erzählt er. „Als Postdoc bin ich dann 2006 an die Uni Fairbanks nach Alaska gegangen, habe also in einer Permafrostregion gelebt. Das war ursprünglich für zwei Jahre ge- plant, aber dann wurden sieben daraus, weil die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit vielen Arktis-Spitzenforschern dort so toll war.“ 2013 ist er mit einer Forschungsförderung des Euro- päischen Forschungsrats, einem ERC Starting Grant, zurück nach Deutschland gekommen. „Das war eine einzigartige Möglichkeit, eine eigene Forschungsgruppe in Europa aufzubauen“, sagt Grosse. Jetzt ist er zum Nachfolger von Hans- Wolfgang Hubberten berufen worden. In ihrer aktuellen Forschung untersuchen die AWI-Wissenschaftler unter anderem, wie die Kohlenstoffdynamik in den Permafrostregionen aussieht. Dabei geht es vor allem um die Menge des Kohlenstoffs, aber auch um die Frage, wie einfach er von Mikroben um- und freigesetzt werden kann. Die weitere wichtige Frage lau- tet: Wie beeinflusst die tauende Landschaft die Kohlenstoffdynamik? „Wir schauen uns etwa in Satellitendaten und auf Luftbildern an, wie schnell sich Landschaften verändern, wie schnell damit also auch Kohlenstoff in verschiedenen Regionen freigesetzt wird“, sagt Grosse. Sein Erfahrungsschatz aus den USA ist für die Permafrost-Forschung in Potsdam auch in Zukunft wichtig. „Alles, was in der Forschung relevant ist, haben wir dann hier gut vertreten und werden international weiterhin zu den Spitzenfor- schungseinrichtungen gehören“, meint Hubber- ten. Man sei dann „richtig rund“ aufgestellt mit der Erforschung der Permafrost-Geschichte, der Hydrologie, der Landschaftsveränderung, der Küsten- und Kohlenstoffdynamik sowie der Treib- hausgasproblematik. So könne man auch künftig mit den großen Playern auf diesem Gebiet, mit der Uni Fairbanks, der Lomonossov-Uni in Moskau, den Unis in Jakutsk, Stockholm, Oslo und Unis in Kanada die Forschung anführen. Die Erkenntnisse aus der Permafrost-For- schung sind nicht bloß von wissenschaftlichem Interesse, sondern haben unmittelbaren Wert für die Menschen in den betroffenen Gebieten. Ganze Helmholtz Perspektiven  Mai – Juni 2016 Ge h e i m n i s v o l l e r P e r m a f r o s t Naturbelassene Permafrost-Landschaften zeigen mitunter eine eigenartige Musterung ihrer Oberfläche – etwa soge- nannte polygonale Netzstrukturen. Sie entstehen dadurch, dass sich der gefrorene Boden bei den extrem tiefen Tempe- raturen im arktischen Winter an seiner Oberfläche zusam- menzieht. Dabei bilden sich Risse, die den Bodenrissen bei einer Dürre ähneln. Wenn im Frühjahr der Schnee schmilzt, füllen sich die zentimeterbreiten und metertiefen Risse mit Wasser. Liegt die Temperatur des Permafrostbodens wieder unter Null Grad Celsius, gefriert das Schmelzwasser in den Rissen – es bilden sich sogenannte vertikale Eisvenen. Sie wachsen über Jahrzehnte und Jahrtausende zu Eiskeilen he- ran und geben der Oberfläche die typischen Polygonmuster.

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