9titelthema Helmholtz Perspektiven November – Dezember 2013 Tatsächlich wäre so etwas ein Segen für unter- besetzte Tagesmedien, die in Windeseile wissen- schaftliche Einordnungen zu nachrichtenrelevanten Themen liefern müssen, ob zum Influenza-Virus in Delmenhorst oder zum Giftgas-Angriff in Damaskus. In einer Studie hat die WPK bereits die positiven Effekte eines deutschen Science Media Centers skizziert. Ein solches Zentrum könne dazu beitra- gen, die Qualität im deutschen Wissenschaftsjour- nalismus zu fördern, heißt es darin. Am Ende bleibt jedoch eine große, ungeklärte Frage: Wie nachhaltig wird das Internet die Branche verändern? Schon jetzt gewinnen die Online- Wissensressorts von Spiegel, Zeit & Co. rasant an Bedeutung. Ihre Personalstämme wachsen meist, während die Redaktionsgrößen der Print-Ressorts eher stagnieren oder sogar schrumpfen. Bleibt überhaupt eine nennenswerte Printsparte übrig? Wird im Web unterdessen der Wissenschaftsjourna- lismus revolutioniert, weg vom linearen Text hin zum schillernden Multimedia-Angebot? Damit verbun- den: Wird man die Nutzer, seit jeher an kostenlose Kreativleistungen im Netz gewohnt, zu zahlenden Kunden umerziehen können? Ausgerechnet zwei ehemalige Redakteure des ge- scheiterten New Scientist wagen jetzt etwas – trotz aller Ungewissheiten. Denis Dilba und Georg Dahm arbeiten an einer Web-App, die wissenschaftsjour- nalistische Stücke multimedial orchestrieren soll, unter Einsatz von Grafiken, Videos, Texten, opulen- ten Bildern und interaktiven Funktionen. „Wir wollen Geschichten, wie sie sonst in großen Magazinen erscheinen würden, multimedial erzählen. Dabei geht es uns nicht um ein Gratis-Angebot, sondern um bezahlten Qualitätsjournalismus“, erklärt Dilba. Noch ist offen, wie die beiden Pioniere den Start ihres Projekts finanzieren. Sollten sich Geldkanäle öffnen, etwa durch Crowdfunding oder Kooperati- onen mit Medienunternehmen, könnte das Schule machen – und andere Wissenschaftsjournalisten ermutigen, mit ebenso innovativen Ideen in die digitale Zukunft aufzubrechen. Dass schon heute eine Berichterstattung möglich ist, die die Seriosität traditioneller Holzmedien mit der Spritzigkeit moderner Onlinemedien verbindet, haben deutsche Wissenschaftsjournalisten im Oktober bewiesen. Da wurden die Nobelpreisträger in Physik, Chemie und Medizin bekannt gegeben, und die Redaktionen überregionaler Titel überboten sich gegenseitig in Themenschwerpunkten zu den Leistungen der ausgezeichneten Koryphäen. Im Netz kredenzten die Ressorts bekömmliche Infor- mationshappen, zum Beispiel Video-Animationen, Livestreams und interaktive Grafiken. In Zeitungen und Zeitschriften folgte später die intellektuelle Reflexion, Futter fürs Hirn, zubereitet aus Por- traits, Hintergrund- und Erklärstücken. Mit solchen Brückenschlagen entfacht man Begeisterung für Higgs-Teilchen und andere naturwissenschaftliche Wunder: der Internetauftritt als Lustmacher, das Printprodukt als anschließendes Vertiefungsange- bot. Philipp Wurm Statt Papier Fast alle Verlage versuchen sich inzwischen an Tablet-Magazinen. Bild: Franziska Roeder