29Helmholtz intern Helmholtz Perspektiven November – Dezember 2013 Die Hüterin der Mikroskope Das Gesicht von Ireen König ist spärlich beleuchtet. Das schwa- che Licht kommt von einem Computerbildschirm, ansonsten ist der Raum dunkel. Neben König steht ein mannshoher Kasten, abgedeckt mit einem schwarzen Tuch. „Hier kann man eine be- täubte Maus reinsetzen, einen Wurm oder auch eine Fliege“, sagt die 32-Jährige und deutet auf das Lichtmikroskop, das neben dem schwarzverhängten Kasten steht: „Damit kann man schauen, was zum Beispiel im Gehirn der Tiere geschieht.“ Das Mikroskop steht in einem klimatisierten Raum voller Mi- kroskope am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkran- kungen (DZNE) in Bonn. „Unsere Light Microscope Facility“, sagt Ireen König. Die promovierte Chemikerin kennt sich mit jedem der 20 Hightech-Geräte aus: Sie betreut die Wissenschaftler des Zentrums bei ihren Untersuchungen an den Mikroskopen. Ireen Königs Lieblingsmikroskop steht nebenan. Lebende Tiere kann sie zwar nicht darunter setzen, aber zum Beispiel die Bewegung von Zellen beobachten. „Ich bin frei vom Publikationsdruck, der auf vielen Kollegen lastet“ Ihre Faszination für das Mikroskopieren entdeckte die Wissen- schaftlerin während ihrer Diplomarbeit: Ihr damaliger Betreuer in Dresden leitete die Mikroskopie-Abteilung. Als sie in Glasgow an ihrer Doktorarbeit schrieb, stieg Ireen König tiefer in das Thema ein; sie lernte die unterschiedlichsten Mikroskopiersys- teme kennen. „Dort habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass mir der Teil meiner Arbeit am meisten Freude bereitet, bei dem ich anderen Leuten beim Forschen helfen konnte“, sagt sie. Die Stelle am DZNE in Bonn war deshalb wie für sie geschaffen. „Dass ich hier mit so vielen verschiedenen Systemen arbeiten kann, ist der Wahnsinn. So eine Chance bekommt man kaum anderswo geboten.“ „Facilities“ genannte Abteilungen, die auf modernste Technologien spezialisiert sind, entstehen derzeit auch an anderen deutschen Forschungseinrichtungen. Experten wie Ireen König unterstützen die Wissenschaftler bei ihrer Forschung an den komplexen Ge- räten. Diese Arbeitsteilung hat sich in Großbritannien und in den USA schon länger bewährt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Teure Geräte müssen nur einmal angeschafft werden, das Wissen über die Systeme wird gebündelt – und das Fachpersonal kennt die immer wieder auftauchenden Fehler. Das ist die tägliche Arbeit von Ireen König und ihren beiden Kollegen: „Die Forscher kommen mit ihrer Projektbeschreibung auf uns zu. Oft haben sie schon konkrete Vorstellungen, welches Mikroskop sie verwenden wollen. Wenn sie dann sehen, welche verschiedenen Systeme wir haben, sind sie häufig überrascht.“ Manche Wissenschaftler untersuchen zum Beispiel, wie sich Rückenmarksverletzungen auf das Nervensystem auswirken, und legen dafür ganze Teile des Rückenmarks unters Mikroskop. Ande- re kommen in die Abteilung, um bestimmte Zellen in Gewebeaus- schnitten zu zählen, die sie dafür extra vorher angefärbt haben. Von jedem Gerät kennen Ireen König und ihre Kollegen die Vor- und Nachteile. So können sie den Wissenschaftlern genau sagen, welches Mikroskop für ihr Projekt am besten geeignet ist. „Im nächsten Schritt weisen wir die Forscher intensiv in die Arbeit mit dem Mikroskop und der passenden Software ein. Danach arbeiten sie alleine an ihrem Projekt“, sagt König. Wenn die Forscher bei speziellen Versuchen Hilfe brauchen oder es Probleme mit den Geräten gibt, ist sie mit ihren Kollegen immer zur Stelle. „Wir füh- ren die Experimente nicht durch. Wir geben Hilfestellungen“, fasst König das Konzept zusammen. Dass sie selbst nur noch mikroskopiert, wenn sie die Geräte testet, damit hat sie kein Problem. „Ich habe mich bewusst für die Arbeit in einer Facility entschieden“, sagt sie. Und Vorteile habe ihre Aufgabe schließlich auch: „Ich bin frei vom Publikations- druck, der auf vielen Kollegen lastet.“ Und von der Wissenschaft bekommt sie immer noch viel mit. Damit sie die Experimente besser versteht, mit der die Forscher zu ihr kommen, liest sie oft die aktuellen Fachpublikationen. Rund 100 Wissenschaftler haben König und ihre Kollegen schon an die Systeme eingewiesen. Seit Anfang des Jahres hat das DZNE die Facility auch für die Wissenschaftler anderer For- schungseinrichtungen geöffnet. Wenn diese jetzt mit ihren Zellen, Mäusen, Würmern oder Fliegen zu Ireen König kommen, findet sie auch für sie immer das richtige Mikroskop. Saskia Blank Ohne das Wissen von Ireen König wäre so mancher Wissenschaftler ratlos. In fast 100 Forschungsprojekte ist sie involviert, ohne selbst zu forschen. Ein Portrait