20 standpunk te Helmholtz Perspektiven November – Dezember 2013 Peter-André Alt Die bildungspolitische Debatte über die Entwick- lung des deutschen Hochschulsystems wird weder ehrlich noch konsequent geführt. Statt klarer Dia- gnosen sind Euphemismen oder Klagen zu hören. Euphemistisch sprechen diejenigen, die von „Dif- ferenzierung“ oder „funktionaler Spezialisierung“ reden; klagend diejenigen, die das Faktum von Leistungsunterschieden für ein Produkt irreführen- der Außendarstellung halten. Die Leistungsbreite sollte nicht zum Glauben verleiten, dass alle alles gleich gut können. Zur Erinnerung: Als 2005 die Exzellenzinitiative beschlossen wurde, sollte sie deutsche Hoch- schulen forschungsstärker und konkurrenzfähiger machen. Unbestritten war dabei, dass das breite Leistungsspektrum ein Qualitätsmerkmal der hiesi- gen Universitätslandschaft bildete. Das sollte auch nicht in Frage gestellt oder gar torpediert werden. Verbesserungsbedürftig waren die Rahmenbedin- gungen für Spitzenforschung, auch in der Koopera- tion zwischen Universitäten und außeruniversitären Einrichtungen. Trotz mancher Kritik im Detail steht außer Frage, dass die beiden Runden der Exzellenz- initiative 2006/07 und 2012 die Umsetzung dieses Ziels erheblich befördert haben. Zweifellos profi- tierten besonders diejenigen Universitäten, die ihre Verbund- und Strategiefähigkeit unter günstigen regionalen Rahmenbedingungen nochmals verbes- sern konnten. Warum das schlecht sein sollte, mag nicht einleuchten, zumal diese Vorteile nicht zu Las- ten kleiner und mittelgroßer Hochschulen errungen wurden. Im Gegenteil: Aus dem Wettbewerb haben auch sie Nutzen gezogen, nicht zuletzt im Bereich der Graduiertenförderung. Die Leistungsbreite des deutschen Hochschulsys- tems, die glücklicherweise auch weiter besteht, sollte nicht zum Glauben verleiten, dass alle alles gleich gut können. Zu den ehrlichen Konsequenzen des Wettbewerbs muss auch die Einsicht in Priori- täten gehören; das ist der Sinn von Profilbildung. Wenn große, forschungsstarke Universitäten eine höhere Zahl von international sichtbaren Schwer- punktbereichen aufweisen als kleinere, so liegt das in der Natur des Systems. Dass sie ihre Interessen nun in gemeinsamer Abstimmung vertreten, ist legitim und hat nichts mit der Bildung von Beutege- meinschaften oder Elitezirkeln zu tun. Denn eine ehrliche Debatte über die Entwicklung des Hoch- schulsystems, die ohne Euphemismen und Klagen auskommt, nutzt allen. Wer den Wettbewerb will, muss auch die Konsequenzen akzeptieren können, sagt Peter-André Alt, Präsident der Freien Universität Berlin Wie viel Differenzierung braucht die deutsche Unilandschaft? Zwei Blickwinkel: Peter-André Alt und Ulrich Radtke