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Helmholtz Perspektiven 021_4

Helmholtz Perspektiven März – April 2014 7TITELTHEMA Kurz vor der Mittagspause geht Frank Clemens auf seine Wiese, um Schmetterlinge zu zählen. Seine Wiese – so nennt der Maschinenbaumeister eine 250 Meter lange Strecke hinter dem Firmengelände im Norden Berlins. Ein kleiner Pfad führt ihn erst an einem trägen Bach entlang, dann an einer Grünflä- che vorbei, zwischen ein paar Bäumen hindurch und zuletzt zu einem Hang mit vielen Brennnesseln. „Ei- nige Falter lieben Brennnesseln und sind von ihrem Vorkommen abhängig“, erzählt der 54-Jährige, „die- se werden aber fast überall gemäht oder vernichtet, und mit ihnen verschwinden die Raupen der Tiere. So können sie als Falter nicht mehr schlüpfen.“ Auf dem Firmengelände hat Clemens sich für den Erhalt der Nesseln an sinnvollen Stellen eingesetzt. „Meine Chefs finden es gut, dass ich mich für die Natur einsetze“ Seine Leidenschaft für Schmetterlinge hat sich im Betrieb, der feine medizinische Geräte herstellt, längst herumgesprochen. Sie hat ihn gepackt, als er gerade zwölf Jahre alt war und am Waldrand bei seiner Oma den Sommer mit dem Schmetterlings- kescher verbrachte. Heute kennt er fast 900 Arten. „Bei der Arbeit haben viele Kollegen Respekt vor meinen Beobachtungen“, sagt er mit Blick darauf, dass er regelmäßig in der Mittagspause hinausgeht zu seinen Schmetterlingen. „Meine beiden Chefs finden es gut, dass ich mich für die Natur einsetze“. Zweimal in der Woche geht er seinen Weg ab. Eine zweite Zählstrecke hat er in der Nähe seines Wohnortes. Er zählt und notiert, welche Schmetterlingsarten er dabei sieht: das Waldbrettspiel, den Admiral, das Landkärtchen oder, als Highlight, den Kleinen Schillerfalter. Frank Clemens‘ Aufzeichnungen gehen am Ende der Saison an das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) am Standort Halle, ge- meinsam mit den Beobachtungen von weiteren 700 freiwilligen Helfern aus ganz Deutschland. Am UFZ werten Wissenschaftler die Daten aus. Tagfalter- Monitoring nennen sie ihr Projekt, in dem sie seit 2005 nahezu lückenlos erfassen, welche Falterarten wo in Deutschland leben und wie sich die Bestände verändern. Ihre Arbeit lebt von den Freiwilligen, die sich ein Stück Wiese oder einen Waldrand suchen und mindestens einmal die Woche zählen gehen, über Jahre hinweg: Rentner und Studenten, Wissen- schaftler und Naturschützer – und Menschen wie Frank Clemens. Für sie alle gibt es einige Begriffe, von denen aber keiner richtig zutrifft. „Hobby- Wissenschaftler“, das klingt belächelnd. „Bürgerwis- senschaftler“, das klingt bürokratisch. Der englische Begriff passt besser: Citizen Science bedeutet, dass Bürger sich an der Wissenschaft beteiligen; sie brin- gen ihr Wissen, ihre Zeit, ihr Können mit ein. Citizen Science ist aber nicht einseitig. Es be- deutet, dass sich im Gegenzug die Wissenschaft  Überall in Deutschland greifen Menschen nach Feierabend zu Fernglas, Notizblock oder Smartphone und helfen Forschern bei ihrer Arbeit. Sie sind Teil einer weltweit wachsenden Bewegung, die sich Citizen Science nennt Die Experten von nebenan

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