Helmholtz Perspektiven März – April 2014 11TITELTHEMA nicht, denn Citizen Science kostet Geld, wenn es ernsthaft betrieben wird: Es erfordert Personal, Fortbildung und die Beteiligung von speziell ge- schulten Sozialwissenschaftlern. Die Mühe aber lohne sich, sagt Johannes Vogel: „Ich wünsche mir, dass es in zehn Jahren an jeder Universität und jeder Forschungseinrichtung ein Büro für Bürger- wissenschaften gibt, das dann Fachgesellschaften, Gruppen, Initiativen und Freiwillige aller Art koordi- niert.“ Der Anfang dazu wurde Ende Januar mit der Gründung des Vereins European Citizen Science Association (ECSA) gemacht, dem Vogel vorsitzt. Dem Netzwerk haben sich Museen, Universitäten und Forschungseinrichtungen aus zehn EU-Ländern angeschlossen, darunter auch das Helmholtz- Zentrum für Umweltforschung (UFZ). Im Verbund will man konkrete Projekte umsetzen, die über den Naturschutz hinausgehen und sich zum Beispiel Fragen der Stadtgestaltung widmen. „Manche Projekte zeugen eher von Begeisterung als von zukunftsweisender Planung“ Aber das Netzwerk will auch klären, wo die Grenzen von Citizen Science liegen: Welche Forschungsbereiche eignen sich für Projekte und welche eben nicht? Welche Anforderungen an den Datenschutz gelten – und in welchem rechtlichen Rahmen bewegt sich die Bürgerbeteiligung über- haupt? „Es entstehen natürlich auch viele Projekte, die vielleicht eher von der Begeisterung am Citizen Science zeugen als von wissenschaftlicher Stan- dardisierung und zukunftsweisender Planung“, sagt Elisabeth Kühn, die am UFZ das Tagfalter-Projekt koordiniert. „Insofern ist es eine Gratwanderung zwischen Wissenschaft und Umwelt- oder Natur- schutzbildung“. Dass es gerade Museen sind, die den neuen Methoden besonders offen gegenüberstehen, sei nicht verwunderlich, findet Katrin Vohland vom Ber- liner Museum für Naturkunde: „Museen stellen sich zunehmend der Frage nach Relevanz und Zugäng- lichkeit von Wissen.“ An ihrer Einrichtung ist vor kurzem ein Projekt gestartet, das sich genau damit auseinandersetzt: Die kompletten Insektenbestän- de, darunter die Schmetterlingssammlung, werden digitalisiert und mit Metadaten zum Fundort und zur Klassifizierung sowie mit einem QR-Code ver- sehen. So sollen die Sammlungen digital verfügbar werden, für Wissenschaftler und Laien gleicher- maßen. „Nicht alle Sammlungen eines Museums werden ausgestellt“, sagt Vohland, „Mit der Digita- lisierung versuchen wir, die Bestände trotzdem für Interessierte und für die Forschung zu öffnen.“ Der Schmetterlingsbeobachter Frank Clemens hat mit seiner Einbindung in das Schmetterlingspro- jekt eine interessante Aufgabe hinzubekommen. Mittlerweile ist er Landeskoordinator für die frei- willigen Helfer beim Tagfalter-Monitoring in Berlin und Brandenburg. Wenn sich in seinem Bereich ein neuer Interessent findet, sucht er mit ihm eine geeignete Strecke und erklärt ihm, worauf zu achten ist. Wenn seine Schützlinge ihre Listen bei ihm abgeben, sieht er sie alle durch: „Mir ist es wichtig, dass möglichst keine Fehler in die Wis- senschaft kommen“, sagt er. Auch zu Konferenzen und Seminaren wird Frank Clemens eingeladen. So viel Engagement erfordert eine Menge Zeit, vor allem am Wochenende. „Im Urlaub sind wir immer dorthin gefahren, wo es seltene Schmetterlinge zu sehen gibt“, sagt Clemens, „meine Kinder waren davon nicht immer begeistert.“ Seine Frau aber störe diese Leidenschaft nicht. Sie ist selbst enga- gierte Botanikerin – ebenfalls in der Freizeit. Leonie Achtnich Wenn Sie dabei helfen möchten, antike Schriften zu ent- ziffern, Stechmücken für den Mückenatlas zu sammeln, sich im Spiel als Kunstkritiker zu üben oder die Schreie von Fledermäusen zu sortieren, dann finden Sie die entsprechen- den Links unter www.helmholtz.de/citizenscience. Hier haben wir für Sie Informationen zu allen im Artikel genannten Projekten wie dem Tagfalter-Monitoring oder zu dem Sichten von Igeln und Wildschweinen zusammengestellt. Am 8. April findet die erste Mitgliederversammlung des ECSA in Kopenhagen statt. Sie steht allen Interessierten offen, Informationen zur Anmeldung stehen auf ecsa.biodiv.naturkundemuseum-berlin.de