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Helmholtz Perspektiven Juli 2016

Autopilot LKW fahren und dabei im Internet surfen? Technisch wäre das längst möglich - viele Menschen sind jedoch von autonomen Fahrzeugen (noch) nicht überzeugt. Bild: Daimler 8 TITELTHEMA A ngespannt schaut der baden-württem- bergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann vom Beifahrerplatz hinüber zum Lenkrad. Tempo 80 zeigt der Tachometer. Der gewaltige Lastwagen fährt über eine dreispurige Autobahn, und soeben hat der Mann am Steuer seine Hände hinter dem Kopf verschränkt. „Der fährt ganz von alleine“– das will Daimlers Lkw-Vorstand Wolfgang Bernhard demonstrieren, als er die Steuerung an Front- radar, Stereokamera und Computer-Algorithmen übergibt. Ein knappes Jahr liegt diese Jungfernfahrt des autonom steuernden Lastwagens nun zurück, und genau in dieser Momentaufnahme zeigt sich das Dilemma: Der Automobilkonzern Daimler verweist darauf, dass ein Großteil der Verkehrs- unfälle auf menschliche Fehler zurückzuführen sei. Lagere man das Fahren an die Technik aus, ließen sich diese Unfälle vermeiden. Die entschei- dende Frage aber drückt ganz unwillkürlich das angestrengte Lächeln Winfried Kretschmanns aus, und selbst Daimler stellt sie ganz offen: „Will der Mensch, was die Technik kann?“ Das ist eine Frage, die auch die Wissenschaft beschäftigt. Ist der Faktor Mensch bei der Umset- zung von Technologien unberechenbar? Wovon hängt es ab, ob die Menschen eine technologische Veränderung akzeptieren oder nicht? „Sicherlich erscheint es manchmal paradox, wenn Menschen sich gegen eine Technik aussprechen, obwohl vieles für sie spricht“, sagt der Soziologe Matthias Groß, der sich am Helmholtz-Zentrum für Umwelt- forschung (UFZ) mit Technikforschung, Innovatio- nen und gesellschaftlicher Wahrnehmung befasst. „Meine Aufgabe ist es nicht, zu beurteilen, ob jemand irrational handelt oder ob ein bestimmtes Verhalten besser wäre als ein anderes. Ich forsche daran, Verhaltensweisen und ihre Ursprünge sowie kulturelle Prägungen zu verstehen.“ Ein anderes Beispiel für ein vermeintlich paradoxes Verhalten sind die Glühlampen: Als die EU-Kommission 2009 beschloss, sie schritt- weise vom Markt zu nehmen, führte das bei den Deutschen zu Hamsterkäufen ihrer liebgewonnenen Birnen. Obwohl bei ihnen 95 Prozent des Stroms als Wärme verlorengeht, mochten die Kunden bei effizienteren Alternativen wie Energiesparlampen nicht so recht zugreifen. „Bei Prozessen wie bei der Energiewende, wo es um das Umweltverhalten geht, spielen immer auch sozio-kulturelle Faktoren eine wichtige Rolle“ Es ist eine Entwicklung der vergangenen Jahre, dass Sozialwissenschaftler wie Matthias Groß immer häufiger an technologieorientierten Forschungsprojekten beteiligt sind – Soziologen, Psychologen, Politikwissenschaftler oder Juristen etwa. Besonders durch die Energiewende wurde diese fächerübergreifende Zusammenarbeit relevant: Die geplante Umwälzung des deutschen Energiesystems ist nicht nur technisch komplex. „Bei Prozessen wie der Energiewende, wo es um das Umweltverhalten geht, spielen immer auch sozio-kulturelle Faktoren eine wichtige Rolle“, sagt Groß. Er illustriert das mit dem Beispiel von Geothermie-Anlagen in Wohngebäuden, durch die Häuser mit Erdwärme geheizt werden können: Im Osten Deutschlands seien sie zwei- bis dreimal so verbreitet wie im Westen. „In der ehemaligen DDR hatte Erdwärme eine lange Tradition als Heizquelle. Damals ging es darum, unabhängig zu sein von Energieimporten und Technologien aus dem Ausland. Möglicherweise hat diese Vorgeschichte ein positives Bild der Erdwärme geprägt“, sagt Matthias Groß. In Westdeutschland seien es vor allem umweltbewusste und innova- tionsfreudige Hausbauer, die sich für eine Anlage entscheiden. „In den ostdeutschen Bundesländern besteht hingegen generell ein größeres Interesse Helmholtz Perspektiven Juli – August 2016

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