27FORSCHUNG Helmholtz Perspektiven Juli – August 2016 Das Risiko, daran zu erkranken, steigt mit dem Alter. Peters wusste mit der Bezeichnung zunächst wenig anzufangen. COPD, von der Krankheit hatte er nie gehört. Dann hat er sich belesen. Und war geschockt. COPD ist eine unheilbare Volks- krankheit und stellt Wissenschaftler vor Rätsel. Schon heute leiden 6,8 Mio. Menschen in Deutschland darunter Karl-Heinz Peters ist keine Ausnahme: Immer mehr Menschen leiden unter chronischen Lungenerkran- kungen, an Bronchitis, Emphysem, Fibrose, Lungen- entzündung oder Asthma (siehe Kasten auf Seite 29). Laut dem 2014 herausgegebenen „Weißbuch Lunge“ der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin stirbt in Deutschland etwa jeder Achte an Erkrankungen des Atmungssystems. Haupt- risikofaktor ist das Rauchen, an zweiter Stelle stehen Umwelt- und Staubbelastungen. Auch wenn der medizinische Name eher unbe- kannt ist, COPD ist eine Volkskrankheit: Schon heute leiden 6,8 Millionen Menschen in Deutschland darun- ter, bis zum Jahr 2050 werden es nach einer Hoch- rechnung schon acht Millionen sein. Die unheilbare Krankheit stellt Wissenschaftler vor Rätsel: Warum bekommt sie nicht jeder Raucher, sondern laut Weiß- buch nur etwa jeder Vierzehnte? Warum erkranken auch Nichtraucher? Warum verläuft die Krankheit so unterschiedlich? Von Kiel bis München arbeiten Infektionsforscher, Molekularbiologen, Stammzellen- mediziner, Genforscher und Biotechnologen daran, das herauszufinden – und Wege zu entdecken, die Krankheit zu stoppen. Über Berlin hängt kein grauer Nebel aus verschmutzter Luft. Der letzte Smogalarm wurde Anfang der 1990er Jahre ausgelöst. Karl-Heinz Peters hat in keiner Fabrik gearbeitet, auch nicht auf einer Baustelle, und er hat in keinem Tagebau giftige Stäube eingeatmet. Er war Informationstechniker, hat bis zur Rente mit Computern gearbeitet. Seine Krankheit hat der immer lebensfreudige Mann wohl selbst verur- sacht: Mit 25 Jahren begann er zu rauchen, zuletzt zwei Päckchen am Tag. Seine Geschichte erzählt er in den Selbsthilfegruppen der Patientenorganisation „Lungenemphysem COPD Deutschland“, die er seit Jahren betreut. In einem sanierten Backsteinbau des Berliner Universitätsklinikums Charité arbeitet Oberärztin Simone Rosseau. Sie ist Spezialistin für Intensiv- und Beatmungsmedizin in der Klinik für Pneumologie. Die Therapie der COPD richtet sich nach dem indivi- duellen Krankheitsbild und der Schwere der Erkrankung, sagt sie: „Immer aber ist der erste Schritt für den Patienten, mit dem Rauchen auf- zuhören.“ Eine Heilung von COPD ist nicht möglich, durch Medikamente lassen sich allerdings die Symptome lindern. Manche Mittel weiten die Bronchien, andere lassen die Schleimhäute abschwellen und mindern die Schleimbildung oder hemmen die fortschreitende Entzündung. Leiden Patienten hauptsächlich an einem Lungenemphysem, bei dem zerstörte Lungen- bläschen das vollständige Ausatmen der verbrauch- ten Luft verhindern, kann ein operativer Eingriff das Atmen erleichtern, erklärt Simone Rosseau: „Per Endoskopie setzen Ärzte kleine Ventile oder Metall- spiralen in die Bronchien ein, durch die überschüssige Luft langsam entweichen kann. Dadurch sinkt das Volumen der überblähten Lunge und es gibt wieder mehr Platz, um neue Luft einzuatmen.“ Fällt einem Erkrankten bei fortgeschrittener COPD das Luftholen zu schwer, kann eine häusliche Beatmung über eine Maske das Atmen erleichtern und die Lebensqualität verbessern. „Mittlerweile wissen wir, dass sie auch das Leben verlängern kann“, sagt Rosseau. In München arbeitet Oliver Eickelberg an Therapien für Lungenkrankheiten. Er ist einer der führenden deutschen Forscher auf dem Gebiet: Eickelberg ist Direktor des Instituts für Lungen- biologie am Helmholtz Zentrum München, führt das Institut für Experimentelle Pneumologie an der Ludwig-Maximilians-Universität und baut gerade im Rahmen des Deutschen Zentrums für Lungen- forschung als wissenschaftlicher Leiter des Com- Verengt Lungenbläschen sind für den Gasaustausch wichtig. Werden sie geschädigt (im Bild, Mäuselunge), wird die Atmung eingeschränkt. Bild: Dr. Christian Hennig/MHH