34 Helmholtz Perspektiven September – Oktober 2016 INTERVIEW Der freie Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen und wissenschaftlichen Daten ist noch immer die Ausnahme. Die Helmholtz-Gemeinschaft unterstützt die Initiative „Open Access 2020“. Ein Gespräch mit dem Aktivisten Christian Heise über Nutzen und Risiken von frei zugänglichen Forschungsdaten – und über seine ungewöhnliche Doktorarbeit Open Access – Ein Gespräch über Transparenz Christian Heise ist ehrenamtlicher Vorstand der Initiative Open Knowledge Foundation Deutsch- land, die für eine Öffnung der Wissenschaft eintritt. Er promovierte am Centre for Digital Cultures der Leuphana Universität Lüneburg und reichte im Juni 2016 seine Doktorarbeit zum Thema „Open Science“ ein. Bild: Christian Heise Warum sollten sich Wissenschaftler, die ohnehin schon viel zu tun haben, auch noch mit dem Thema „Open Access“ beschäftigen? Ich bin der festen Überzeugung, dass alle davon profitieren, wenn sie auf überprüfbares und überprüftes Wissen zugreifen können. So ein offener Zugang zum wissenschaftlichen Erkenntnis- prozess kann die Möglichkeiten der Validierung erhöhen. Und er kann den privaten und staatlichen Forschungs- bereich effizienter machen und damit den gesamtgesellschaftlichen Fortschritt in bisher unbekannter Weise beschleunigen. Trotz aller Bemühungen ist Open Access im Wissenschaftsbereich immer noch kei- ne Selbstverständlichkeit. Woran liegt das? Es gibt eine ganze Reihe an Hindernissen. Zum einen natürlich rechtliche: In vielerlei Hinsicht sind die Rahmenbedingungen veraltet. Um dem Ziel der Bildungsgerech- tigkeit einen Schritt näher zu kommen, aber auch um den Herausforderungen der Digitalisierung zu begegnen, sind gesetzliche Modifikationen nötig. Ein an- derer Aspekt ist der Schutz von privaten und persönlichen Daten. Den Schutz der Privatsphäre gegen den immensen Wert einer Open Access-Nutzung auszuhandeln – das stellt eine wichtige Herausforderung dar. Und drittens ist da die technische Komponente: Es geht hier um große Datenmengen, die erst einmal irgendwo gespeichert werden müssen. Obwohl sich in diesem Bereich viel getan hat, muss man noch einfachere Wege finden, um riesige Datenmengen strukturiert zur Verfügung zu stellen. Das hört sich nach lösbaren Problemen an. Das Grundproblem ist aber auch noch ein anderes: Es fehlt an einer grundlegenden Auseinandersetzung innerhalb der wissen- schaftlichen Gemeinschaft, denn natürlich hat das Thema Auswirkungen auf die wissenschaftliche Kommunikation. Das ist ja auch das Thema Ihrer Doktor- arbeit. Was haben Sie herausgefunden? Ich habe sie quasi im Selbstexperiment von Beginn an öffentlich zugänglich gemacht, um zu untersuchen, ob diese Öffnung beim Erstellen wissenschaftlicher Arbeiten überhaupt möglich ist. Eine meiner Annahmen war: Der freie Zugang zu den finalen wissenschaftlichen Ergeb- nissen (Open Access) markiert eine Übergangsphase, die dazu führen kann, dass sich der gesamte wissenschaftliche Erkenntnisprozess (Open Science) öffnet. Dazu habe ich mich mit der historischen Entwicklung der wissenschaftlichen Kommunikation und ihrer Digitalisierung beschäftigt und habe dann untersucht, welches Interesse die Wissenschaftler selbst an dieser Entwicklung haben und wie das gelebte Verhalten ist. Außerdem habe ich mir dann noch angesehen, was die Treiber und Bremser in diesem Verän- derungsprozess sind. Was ist ihr Ergebnis? Die meisten Wissenschaftler haben zwar ein Interesse an zugänglichen Daten, sind aber selbst weit davon entfernt, offen und frei zugänglich wissenschaftlich zu kommunizieren. Dahinter stehen ganz unterschiedliche Gründe, die vom Daten- schutz über die Angst vor dem Verlust von Patent- und Publikationsrechten bis hin zur Furcht vor Mehraufwand reichen.