Helmholtz Perspektiven September – Oktober 2016 21 forschung Prävention als wichtigster Lösungsansatz „Auch wenn nur die wenigsten Arten starke Aus- wirkungen haben, gilt es trotzdem den in dieser Frequenz unnatürlichen Prozess aufzuhalten“, sagt Buschbaum. Für Europa hat die EU-Kommission kürzlich eine Liste mit 37 Arten veröffentlicht, deren weitere Ausbreitung bekämpft werden soll. „Das ist allerdings nicht einfach“, sagt Kühn. „Man kann den Arten ja nicht einfach sagen: Ihr müsst draußen bleiben, oder bitte geht wieder.“ Es gelinge nur, wenn man schnell reagiere, radikal vorgehe und viel Geld investiere. Neuseeland etwa ist die Ausrottung der Ratten rund 18 Millionen Euro wert. Der wahrscheinlich effektivste Ansatzpunkt ist es, neue Arten gar nicht erst ins heimische Ökosystem kommen zu lassen. Während sich der gezielte Import durch Regularien recht gut in den Griff bekommen lässt, ist es beim versehentlichen Einschleppen schwieriger. „Hier muss man sehr aufwendige Verfahren anwenden, um zu verhin- dern, dass die Arten als blinde Passagiere mit den Schiffen mitfahren“, sagt Buschbaum. Deshalb soll nach einer internationalen Konvention künftig das Ballastwasser in großen Schiffen geklärt werden. Auch neuartige Reinigungsverfahren für die Außenseite der Schiffe werden entwickelt. Dabei kommt es vor allem darauf an, dass die Methode zwar die Organismen davon abhält, sich an das Schiff zu heften, gleichzeitig aber auch nicht schädlich für die Umgebung ist. Darüber hinaus arbeiten die Forscher auch an einem Weg, mit den fremden Arten umzugehen, anstatt sie loszuwerden oder gar nicht erst ins Land zu lassen: „Wir untersuchen in unserer täglichen Arbeit vor allem, wie regionale Öko- systeme beim Widerstand gegen invasive Arten unterstützt werden können“, sagt Kühn. „Wir versuchen also quasi der Natur unter die Arme zu greifen, um die unnatürlichen Veränderungen, an denen wir vielfach selbst schuld sind, zu mini- mieren.“ Eine Möglichkeit, das zu erreichen, ist es, gebietsfremde Arten gezielt durch kon- kurrenzstarke einheimische Arten zu unter- drücken. Auch kann man einheimische Parasiten oder Fraßfeinde der Eindringlinge stärken. „Letztendlich kann man versuchen, die Öko- systemfunktionen der einheimischen Arten auch durch diese der gebietsfremden zu ersetzen. Allerdings sind wir bei all dem noch ganz am Anfang“, sagt Kühn. Ganz allgemein gilt: Es geht vor allem darum, die eingewanderten Arten nicht zu verdammen, sondern zu verstehen, wie sie das heimische Ökosystem verändern und zum Erhalt der Funktionalität beitragen können. Schließlich sind die Arten gekommen, um zu bleiben. Rebecca Winkels Blinde Passagiere Im Ballastwasser der Schiffe werden Arten von einem Ort zum anderen mitge- schleppt. Quelle: Maxxl2 (CC BY-SA 3.0) Fluten der Ballasttanks im Ursprungshafen Entladen der Fracht Leere Ballasttanks während der Fahrt Voller Laderaum Volle Ballasttanks während der Fahrt Leeren der Ballasttanks im Zielhafen Leerer Laderaum Laden der Fracht 1 2 3 4 12 34