Helmholtz Perspektiven Juli – August 2014 20 standpunkte D ie Natur spielt bei den meisten unserer Entscheidungen keine Rolle. Wir be- rücksichtigen sie allenfalls, wenn es um unsere Versorgung mit Nahrungsmitteln, Holz oder Trinkwasser geht – oder wenn wir uns an ihrer Schönheit erfreuen. Dass die Natur aber weitere zentrale Leistungen erbringt, übersehen wir allzu oft: Flächen werden für Industrie oder Siedlungen freigegeben, ohne dass die Wirkungen auf das Mikroklima, den Wasserhaushalt oder die biologische Vielfalt berücksichtigt werden. Dass Auen vor Überschwemmungen schützen können, registrieren wir erst, wenn unsere Keller wieder einmal unter Wasser stehen. Und dass eine Stadt ohne Grün auch einen Verlust von Wohlbefinden und Lebensqualität bedeutet, merken wir dann, wenn es im Sommer unerträglich heiß wird und wir uns kaum noch draußen bewegen können. Die vielfältigen Leistungen der Natur zu erfassen, ihren Wert für den Menschen – seine Ge- sundheit und sein Wohlbefinden – aufzuzeigen und in Entscheidungen zu integrieren, ist daher eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe. Eine ökonomi- sche Betrachtung kann da sehr hilfreich sein. Es geht dabei nicht um Monetarisierung, darum, Bäu- men und Tieren Preisschilder aufzudrücken; das ist zweitrangig. Viel wichtiger ist es, eine Übersicht zu bekommen: Welche Leistungen erbringt die Natur? Wer profitiert von ihnen in welcher Form? Und was passiert, wenn die Leistungen verloren gehen? Dafür braucht man eine ökonomische Bewertung, eine sachliche Kosten-Nutzen-Analyse. Durch sie werden bessere Entscheidungen möglich. Diese Sicht verfolgt auch die internationale TEEB-Studie „The Economics of Ecosystems and Biodiversity“. Zahlreiche Beispiele in dieser Studie zeigen: Der Schutz der Natur lohnt sich auch ökonomisch. Allein dafür ist es wichtig, dass eine wirtschaftliche Bewertung von Naturgütern über- haupt stattfindet – einfach, damit der Nutzen des Schutzes nachweis- und belegbar ist. In Deutsch- land haben wir dies bereits für Moorgebiete, arten- reiches Grünland oder die Wirkungen des urbanen Grüns auf Gesundheit und Wohlbefinden aufge- zeigt. Als Studienleiter des deutschen Vorhabens „Naturkapital Deutschland – TEEB DE“ versuche ich mit meinem Team, weitere Beispiele zu finden, die zeigen: Eine volkswirtschaftliche Perspektive hilft dabei, die Umwelt zu bewahren. „Wir sollten wissen, welche ökonomischen Leistungen die Natur erbringt – und welcher Schaden entsteht, wenn sie wegfallen“, sagt Bernd Hansjürgens, Leiter des Departments Ökonomie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig Lässt sich der Wert der Natur in Euro messen? Zwei Forscher argumentieren – dafür und dagegen