Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

Helmholtz Perspektiven 0714

Helmholtz Perspektiven Juli – August 2014 19Forschung Immerhin muss man für ein Abbausystem inklusive metallurgischer Verarbeitungsanlage rund 800 Mil- lionen Euro in die Hand nehmen plus 250 Millionen jährliche Betriebskosten.“ Sollte der industrielle Abbau von Tiefsee- Rohstoffen einmal Wirklichkeit werden, so werden die Manganknollen sicherlich noch am wenigsten Arbeit machen – sie müssen „nur“ aufgesammelt werden. Die Kobaltkrusten dagegen sind fest mit dem Substratgestein verbunden. Sie kommen vor allem im westlichen Zentralpazifik vor und enthal- ten Kobalt, Nickel, Mangan, Titan, Kupfer und Cer sowie Spurenmetalle wie Platin, Molybdän, Tellur und Wolfram. Die Massivsulfide in 3.000 bis 4.000 Metern Wassertiefe schließlich sind vulkanischen Ursprungs und treten an aktiven und erloschenen Schwarzen Rauchern auf – Hydrothermalquellen, an denen bis zu 400 Grad Celsius heißes Wasser aus dem Meeresboden schießt. Dabei fallen Sulfid- minerale aus und können Lagerstätten von einigen hundert Metern Durchmesser bilden. Sie bestehen aus Kupfer, Blei, Zink, aber auch Gold, Silber und Hochtechnologiemetallen wie Indium, Germanium, Wismut und Selen. Den Abbau dieser Metallerze stuft GEMOAR-Direktor Peter Herzig als weit weniger problematisch ein: „Hier würde in erster Linie Lavagestein aufgewirbelt, das sich schneller wieder absetzt.“ Allein vor Papua-Neuguinea sollen 2,5 Millionen Tonnen Metallsulfide lagern. „Damit könnte man das Berliner Olympiastadion zur Hälfte füllen“, sagt Herzig. Geschätzter Metallwert: 2,2 Milliarden Euro. Um die ökologischen Folgen der Erschließung all dieser Rohstoffe abschätzen zu können, müsste eigentlich das gesamte Ökosystem untersucht werden, was in großen Tiefen sehr schwierig ist. Hierbei kommt nun eine kleine, eigentlich recht unscheinbare Muschel ins Spiel: die Bathymo- diolus childressi, eine Tiefsee-Verwandte unserer Miesmuschel. Sie kommt in etwa 500 Metern Wassertiefe an kalten Quellen im Golf von Mexiko und an der US-Ostküste vor. Meeresforschern vom Kiel Marine Organism Culture Center, einem Gemeinschaftsprojekt des GEOMAR und des Kieler Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“, ist es nun gelungen, sie in Aquarien zu halten. „Mithilfe von Computermodellen können wir nachvollziehen, wohin die Muschellarven fortgetrieben werden“, sagt die Biologin Corinna Breusing von der Gradu- iertenschule HOSST, die unter Betreuer Thorsten Reusch am GEOMAR ihre Doktorarbeit schreibt. „Wir können feststellen, ob möglicherweise Strömungen, Fronten zwischen den Wassermassen oder ähnliche Barrieren den Austausch zwischen verschiedenen Populationen verhindern.“ Auf der genetischen Ebene untersucht die Doktorandin, ob sich verschiedene Populationen kreuzen können oder ob bestimmte Reproduktionsmechanismen dies verhindern. Sollte sich herausstellen, dass es keine Verbindung zwischen den Populationen an verschiedenen Schwarzen Rauchern gibt und auch nicht geben kann, die Muscheln und andere Orga- nismen also isoliert von anderen Habitaten leben, würde dies laut Breusing bedeuten: „Wenn man an einem Schlot etwas abbaut, wird das Ökosystem nicht nur zerstört, sondern es kann sich auch nicht regenerieren, weil sich keine neuen Individuen aus anderen Habitaten ansiedeln können.“ Mit den Daten aus der exemplarischen Arbeit an Bathy- modiolus childressi, die nur an kalten Quellen vor- kommt, sollen Computermodelle erstellt werden, die sich den an den mittelatlantischen Schloten vorkommenden Spezies möglichst annähern. Neben allen ökologischen Bedenken gibt es aber auch ein wirtschaftliches am Mega-Projekt Tiefseebergbau: Ein massenhafter Abbau in der Tief­see könnte zu einem generellen Rückgang der Rohstoffpreise führen, der die Exploration wiederum unwirtschaftlich machen würde. Meeres­ geologe Carsten Rühlemann hat dies durch­ gerechnet – und kommt zu dem Schluss: „Ein Tiefseeunternehmen würde den Weltmarkt sicher nicht beeinflussen. Wenn zehn gleichzeitig anfin- gen, dann wäre das etwas anderes.“   Thomas Röbke Knollenrodung in der Tiefsee  Solche Kollektoren könnten in Zukunft Manganknollen vom Meeres­boden aufsammeln. Bild: Aker Solutions Peter Herzig, GEOMAR-Direktor. Bild: J. Steffen 4000 – 6000 m

Seitenübersicht