Ernährung
Was bringt Intervallfasten?
Beim klassischen Heilfasten wird mehrere Tage auf Nahrung verzichtet. Beim intermittierenden Fasten reicht es, regelmäßige Essenspausen einzulegen. Doch ist dies wirklich gut für Gewicht und Stoffwechsel? Und was sagt die Wissenschaft dazu?
Der Jahresbeginn ist für viele Menschen traditionell mit guten Vorsätzen verbunden. Abnehmen ist dabei eines der beliebtesten Ziele. Und an Möglichkeiten mangelt es nicht, Diäten gibt es zuhauf. Doch diese sind oft mit einem Verzicht auf bestimmte Lebensmittel verbunden – was viele Menschen langfristig nicht durchhalten. Eine andere Variante, den Fettpölsterchen zu Leibe zu rücken, ist das Intervallfasten. Anders als bei Diäten geht es hier nicht um eine Ernährungsumstellung, sondern nur um eine zeitliche Verschiebung des Essens und regelmäßige längere Essenspausen.
Anna Engler hat diesen Trend für sich entdeckt und bereits 14 Kilo abgenommen. Seit einem Jahr fastet sie nach der 16:8-Methode: 16 Stunden lang verzichtet sie auf feste Nahrung und trinkt nur schwarzen Kaffee, Tee oder Wasser. In den übrigen acht Stunden ist das Essen erlaubt. "Selbst auf meine Lieblingsspeisen Pizza und Börek muss ich nicht verzichten", sagt die Berlinerin. Ihre Essenspausen dauern also vom Abendessen bis zum Mittagessen des Folgetages. Dieser Rhythmus fällt ihr eigenen Worten zufolge leicht. Das Frühstück habe sie ohnehin nie gemocht.
Kein Antrieb, wenig Disziplin und zu viele Kilos – das waren lange ihre Probleme. Die 32-jährige hatte deutliches Übergewicht, aber keine Lust auf Diäten. "Die fand ich schon immer blödsinnig, schließlich hat man das verlorene Gewicht hinterher schnell wieder drauf", sagt sie. "Es scheint eine Methode zu sein, die man relativ leicht in den Alltag einbauen kann, ohne, dass es zu größeren Verwerfungen kommt", sagt Stephan Herzig mit Blick auf das Intervallfasten. Er leitet am Helmholtz-Zentrum München das Institut "Diabetes und Krebs" und erforscht mit seinen Kollegen, wie sich das temporäre Fasten auf den Stoffwechsel auswirkt. Das Intervallfasten hat neben dem Abnehmen noch viele andere positive Effekte. "Es sorgt zum Beispiel dafür, dass Insulin wieder besser wirkt, es senkt den Blutdruck, beugt langfristig Herz-Kreislauferkrankungen vor und unterstützt auch Krebstherapien", so Herzig. Der Wissenschaftler arbeitet mit seinen Kollegen aktuell an der Frage, wie das Fasten zu Therapiezwecken eingesetzt werden kann und wie sich Medikamente entwickeln lassen, die das Hungern imitieren.
Fasten aktiviert die körpereigene Müllabfuhr
Doch was passiert eigentlich beim Fasten? "Der Körper muss auch in Hungerperioden sicherstellen, dass die Organe und vor allem das Gehirn weiter mit Energie versorgt werden", erklärt Herzig. Beim Hungern werde vom Zuckerstoffwechsel auf den Fettstoffwechsel umgestellt. Das heißt, wenn die Kohlenhydrate verbraucht sind, geht es an die Fettreserven, die Pölsterchen schrumpfen. "Bei sehr langem Hungern werden auch die Eiweißreserven in den Muskeln angegriffen", sagt der Biologe. Die Abbauprodukte landen demnach in der Leber, die diese zur Zuckerproduktion nutzen, um das Gehirn damit zu versorgen.
"Was in einzelnen Zellen passiert, ist vom Zelltyp abhängig", so der Wissenschaftler. Ein Prozess aber werde beim Hungern im ganzen Körper aktiviert: die interne Müllabfuhr, die so genannte Autophagie. "Dabei werden defekte oder schadhafte Moleküle abgebaut oder kleingehäckselt. Es ist eine Art Entgiftung", so Herzig.
Am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke haben Wissenschaftler an Mäusen gezeigt, wie sich das kontrollierte Hungern auf den Stoffwechsel auswirkt: "Sie können viel besser wieder zwischen Zucker- und Fettstoffwechsel hin und herschalten, der gesamte Fettstoffwechsel verbessert sich", sagt Annette Schürmann, Leiterin der Abteilung für Experimentelle Diabetologie. Außerdem sammelten sich in der Leber weniger giftige Zwischenprodukte des Fettstoffwechsels an. "Und die Mäuse reagieren wieder empfindlicher auf das Hormon Insulin, das den Zucker kontrolliert. Das hilft, eine Diabetes-2-Erkrankung zu verhindern", so Schürmann. Bei dicken Mäusen, die bereits eine Insulinresistenz entwickelt hätten, habe sich diese durch das Fasten wieder zurückentwickelt. "Der Stoffwechsel der Mäuse ist sehr gut mit dem des Menschen vergleichbar, so dass man diese Befunde auf den Menschen übertragen kann", sagt die Wissenschaftlerin.
"Es gibt eine unglaubliche Fülle von sehr beeindruckender Forschung an Tieren." So deuteten Studien auch darauf hin, dass das Fasten vor Demenz schütze, ergänzt der Chefarzt des Berliner Immanuel-Krankenhauses Andreas Michalsen. Doch ob es beim Menschen auch so viele positive Effekte habe, wisse man nicht. "Es fehlen noch die großen, langfristigen Studien am Menschen. Aber der Fakt, dass das Drehen an der Uhr etwas bewirkt, ist belegt", so der Arzt. Am Immanuel-Krankenhaus werden laut Michalsen jährlich etwa 1500 Fastende betreut. Er selbst habe Kontakt zu etwa 500 Intervallfastenden pro Jahr.
Andere Untersuchungen hätten zudem gezeigt, dass das Fasten die Gedächtnisleistung steigere, ergänzt der Münchner Wissenschaftler Herzig. Insgesamt seien Menschen in Hungerperioden auch viel agiler. "Der Bewegungsdrang wird erhöht. Das brauchte man schon in der Steinzeit, um zu überleben", so der Forscher. Denn damals sei Nahrung nur sehr knapp und unregelmäßig vorhanden gewesen. "Die Menschen waren ständig auf der Suche danach. Im Grunde reaktiviert das Intervallfasten ein genetisches Programm, was heute wegen des Nahrungsüberflusses kaum noch abgerufen wird. Das Hungern führt dazu, dass wir stoffwechselmäßig dahin kommen, wo wir früher einmal waren", fasst Herzig zusammen.
Statt "Friss die Hälfte" gilt: "Friss die Hälfte der Zeit"
Manchmal sei das Hungern allerdings auch anstrengend, räumt Anna Engler ein: "Mir ist auch mal schwindlig. Aber die Feststellung, dass mir, wenn ich ein paar Stunden Hunger habe, nichts wirklich Schlimmes passiert, war sehr befreiend", erzählt sie. Dabei hat sie nicht einmal die schwierigste Variante gewählt: Beim "echten" Intervallfasten wird einen Tag auf Nahrung verzichtet und einen Tag gegessen – und das immer im Wechsel. Eine weitere Form ist die 5:2-Methode. Fastende essen dabei fünf Tage pro Woche lang normal und nehmen an zwei Tagen je nur etwa 500 Kilokalorien zu sich. Der Arzt und Entertainer Eckart von Hirschhausen hat das Prinzip des Intervallfastens einmal vereinfacht auf den Punkt gebracht: "Sie müssen keine Kalorien zählen, sondern Stunden. Statt ‚Friss die Hälfte‘ gilt: ‚Friss die Hälfte der Zeit!‘". Auch er habe dadurch zehn Kilo abgenommen.
Allerdings hält nicht jeder die Hungerperioden gut aus. Das beobachtet auch Andreas Michalsen immer wieder. "90 Prozent finden das toll. Zehn Prozent tut es nicht gut. Diesen Patienten sage ich: Bitte lassen Sie es", so Michalsen. "Ich empfehle den Patienten, es für sich auszuprobieren und einen passenden Rhythmus zu finden", so der Arzt, der selbst auf das Frühstück verzichtet. Noch besser für den Stoffwechsel wäre es laut Stephan Herzig, kein Abendbrot zu essen. "Denn der Stoffwechsel ist an die innere Uhr des Körpers gekoppelt und morgens wird die Nahrung noch besser vom Körper verarbeitet als abends", so der Experte. Doch für viele Menschen sei das schwieriger umzusetzen. Und sinnvoll sei die Umstellung der Essenszeiten nur, wenn man sie auch langfristig durchhalte.
Studien zur Langzeitwirkung fehlen
Das Intervallfasten hat allerdings nicht nur Befürworter: Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hält es nicht für geeignet, um das Gewicht langfristig zu regulieren. Es fehlten konkrete Empfehlungen zur Lebensmittelwahl, so die Begründung. Außerdem lägen noch keine Studien zu den Langzeitfolgen des Intervallfastens vor. Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums und des Universitätsklinikums in Heidelberg haben jetzt in einer klinischen Studie mit 150 Teilnehmern gezeigt, dass weder euphorische Erwartungen an das Intervallfasten noch Ablehnung gerechtfertigt sind. "Das Intervallfasten führt zu gleich starken Effekten bei Stoffwechsel und Gewichtsabnahme wie eine normale Reduktionsdiät", sagt der leitende Wissenschaftler der Studie, Tilman Kühn. Zwei weitere Forschergruppen aus Norwegen und Australien hätten kürzlich ähnliche Ergebnisse erzielt.
In Heidelberg fastete eine Gruppe nach dem 5:2-Prinzip und nahm pro Woche insgesamt 20 Prozent weniger Kalorien zu sich. Eine andere Gruppe nahm täglich 20 Prozent weniger Kalorien auf. Und eine Kontrollgruppe ernährte sich ohne konkreten Diätplan. "Sowohl die Intervallfastenden als auch die Teilnehmenden aus der Diätgruppe verloren Gewicht. Bei allen Teilnehmenden verringerte sich das ungesunde Bauchfett und das Leberfett ging zurück. Außerdem stieg die Insulinsensitivität wieder", berichtet Kühn.
Ob die Ergebnisse auch für andere Fastenmethoden wie etwa 16:8 gelten, müsse man noch prüfen. Eine weitere Frage, die den Wissenschaftler beschäftigt, ist, für wen die jeweilige Ernährungsform besonders gut geeignet ist. Die Teilnehmer hätten nach der Studie ganz unterschiedlich weitergemacht: "Manche haben weiter abgenommen, andere nahmen wieder zu. Es gab eine große Variation", so Kühn. "Möglicherweise ist das Intervallfasten besonders für Berufstätige oder auch Rentner geeignet. Das wollen wir herausfinden", so der Forscher. Das wichtigste Ergebnis sei am Ende aber: Egal welche Form des Abnehmens, aufs Durchhalten komme es an. "Um sein Gewicht langfristig zu halten, bedarf es auch einer dauerhaften Ernährungsumstellung auf ausgewogene Kost nach den Empfehlungen der DGE", rät Kühn.
Anna Engler ist von ihrem Weg überzeugt. Sie will wieder auf 68 Kilo kommen und Kleidergröße 38 tragen. "Es fehlen nur noch sechs Kilo", sagt die 1,68-Meter-Frau. Relativ leicht sei das langfristige Durchhalten dadurch, dass sie nur an vier Tagen die Woche faste. Aus Forschersicht wären zwar sieben Tage die Woche ideal. "Aber längere Essenspausen an vier Tagen sind viel besser als gar keine", sagt Stephan Herzig. Wer Anregungen sucht, wird übrigens im Buchhandel fündig, aber auch im Internet. Dort gibt es zum Beispiel Facebook-Gruppen zum Intervallfasten. Tausenden von Mitgliedern motivieren sich dort gegenseitig mit ihren Erfolgsgeschichten.
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