Offene Fachartikel aus der Forschung
Unter dem Motto Open Access widmet sich die Helmholtz-Gemeinschaft der offenen Zugänglichkeit von wissenschaftlichen Publikationen.
Heinz Pampel vom Helmholtz Open Science Office befasst sich in einer dreiteiligen Artikelreihe mit dem Thema Open Science. Im zweiten Teil: offene Fachartikel aus der Forschung.
Für einen möglichst offenen Zugang zu wissenschaftlichen Ergebnissen setzt sich Helmholtz schon lange ein: Bereits im Oktober 2003 unterzeichnete der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft die sogenannte „Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen“. Dieses Dokument beschreibt die „Vision von einer umfassenden und frei zugänglichen Repräsentation des Wissens“. Forschungseinrichtungen aus der ganzen Welt signierten diese Deklaration, die zu einem Meilenstein von Open Access wurde. Die simple Grundidee: Erkenntnisse der Wissenschaft sollen über das Internet kostenfrei zugänglich gemacht werden.
Heute ist Open Access als Thema der globalen Wissenschaftspolitik gesetzt. Jüngst befassten sich etwa die Wissenschaftsministerien der G7-Staaten wieder mit den Herausforderungen des offenen Zugangs. Mit der Covid-19-Pandemie ist die Forderung nach dem „rapid sharing of knowledge, data and tools“ endgültig auf der politischen Agenda angekommen.
Open Access startete als Graswurzelbewegung einiger engagierter Forscher:innen: In den 1990er-Jahre wollten sie das wissenschaftliche Publizieren durch die konsequente Nutzung des damals noch jungen Internets beschleunigen. Heute gilt Open Access als etablierte Publikationsstrategie und hat in einigen Fächern das tradierte Subskriptionssystem mit allen seinen Nachteilen bereits abgelöst. In anderen Fächern wandelt sich die Publikationskultur langsamer.
Auf nationaler Ebene hat das Bundesministeriums für Forschung und Bildung (BMBF) eine Open-Access-Strategie entwickelt. Und mit dem DEAL-Projekt der deutschen Wissenschaftsorganisationen sowie komplementären Publikationsdiensten an Forschungseinrichtungen steigt der Anteil frei zugänglicher Publikationen an. So wurden in der Helmholtz-Gemeinschaft im Publikationsjahr 2019 bereits 67 % der Fachartikel im Open Access veröffentlicht. Auf nationaler Ebene sind es laut dem Open-Access-Monitor des Forschungszentrums Jülich aktuell 58 %. Ohne Bezahlschranken können alle Interessierten auf diese Forschungsergebnisse zugreifen. Dank innovativer Begutachtungsverfahren (Open Peer Review) ist es teils sogar möglich, die Diskussionen der Fachleute nachzuverfolgen oder auch direkt in die Forschungsdaten zu schauen, die einem Artikel zugrunde liegen (siehe: erster Teil dieser Serie).
Umbau des Publikationswesens
Unter dem Begriff der Open-Access-Transformation wird am Umbau des digitalen Publikationssystems gearbeitet. Dieses internationale Unterfangen gestaltet sich mitunter als Herausforderung: Forschungseinrichtungen ringen mit Verlagen über die Gestaltung eines nachhaltigen Publikationswesens. Dabei sind die Fronten oft verhärtet. So haben die Helmholtz-Zentren gemeinsam mit rund 200 weiteren wissenschaftlichen Institutionen in Deutschland vor vier Jahren ihre Verträge mit dem Verlagsgiganten Elsevier gekündigt. Die Elsevier-Forderungen waren für die Wissenschaft inakzeptabel, da sie viel zu weit entfernt von einem zukunftsfähigen und damit auch nachhaltigen Modell der digitalen Wissenschaftskommunikation lagen.
Bei den Verhandlungen mit den Verlagen geht es um viel Geld. Rund 10 Milliarden Dollar nehmen die Verlage durch Verkauf und Lizenzierung englischsprachiger STM-Zeitschriften („STM“ kurz für Science, Technical, Medical) jährlich ein, schätzt der internationale Verlagsverbandfür das Jahr 2017.
Mit der Transformation zu Open Access setzen die gewinnorientierten Verlage auf eine Finanzierungsstrategie über Publikationsgebühren. Hierbei ändert sich die Logik der Finanzierung: Nicht diejenige Einrichtung, die für ihre Wissenschaftler:innen den Zugang zu den Artikeln organisiert, kommt für die entstehenden Kosten auf, sondern diejenige Institution, an der die Artikel entstehen. Zusätzlich stellen Förderorganisationen im Rahmen ihrer Projektförderung Mittel für das Open-Access-Publizieren bereit. In Deutschland zum Beispiel das BMBF oder die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG).
Mit dem „Plan S“ – einer Initiative von Europäische Kommission, Gates Foundation, Wellcome Trust, WHO und weiteren Förderorganisationen – wird versucht, gemeinsame Kriterien zu schaffen, um die Transformation zu Open Access zu beschleunigen. Für Forscher:innen sind diese Kriterien nicht immer einfach zu verstehen, deshalb bieten die Helmholtz-Bibliotheken umfassende Beratungsleistungen dazu an. Auch ist das Helmholtz Open Science Office an der Informationsplattform open-access.net beteiligt und entwickelt diese aktuell weiter – die Plattform bietet Informationen, vermittelt Kompetenz und regt die Vernetzung an. Mit einem Helpdesk für Forscher:innen werden zudem Fragen zu Open Access beantwortet.
Verlage in Academia
Zahlreiche Forschungs- und Förderorganisationen sind zur Förderung von Open Access auch selbst verlegerisch tätig geworden. In der Helmholtz-Gemeinschaft betreiben zum Beispiel das Forschungszentrum Jülich und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) eigene Verlage. KIT Scientific Publishing verlegt etwa 150 Publikationen im Jahr – alle Open Access verfügbar. Damit wird das Wissen der Forschungsuniversität weltweit zugänglich gemacht.
Im Frühjahr 2021 startete die Europäische Kommission außerdem eine eigene Open-Access-Zeitschrift – Open Research Europe – in der Ergebnisse der europäischen Forschungsprogramme offen publiziert werden können.
Forschungseinrichtungen finanzieren darüber hinaus auch kooperativ betriebene Infrastrukturen für die Publikation wissenschaftlicher Aufsätze. Eine Schlüsselrolle übernehmen dabei die Bibliotheken: Sie steuern den Prozess mit der Umwandlung ihrer Budgets von Subskription zu Open Access. Bei Helmholtz beteiligen sie sich zum Beispiel an der Finanzierung des Preprint-Server arXiv.org, über den im Jahr 2020 1.7 Millionen Artikel publiziert wurden, oder auch die Open-Access-Initiative SCOAP3 in der Teilchenphysik. SCOAP3 illustriert dabei die globale Dimension der Open-Access-Transformation: 3000 Forschungseinrichtungen aus 44 Ländern legen für dieses Projekt Geld zusammen, um die Artikel der Fachcommunity frei zugänglich und maschinenlesbar machen zu können.
Internationaler Aushandlungsprozess
Während DEAL international große Beachtung findet und die Kooperationsfähigkeit der Wissenschaft in Deutschland gestärkt hat, geht dieser Schritt manchen Forscher:innen nicht weit genug. Auch radikalere Ansätze, die das Publizieren ganz ohne kommerzielle Verlage favorisieren, werden diskutiert und erprobt.
Wie die Kommerzialisierung des Verlagswesens zeigt, benötigt es einen fortlaufenden Aushandlungsprozess zwischen Wissenschaft und Verlagen. Dank Open Access wird dieser nun transparent. Bislang konnten die Verlage Kosten und Konditionen ihrer Verträge mit wissenschaftlichen Einrichtungen unter Verschluss halten; jetzt werden sie für alle sichtbar.
Dabei geht es keinesfalls darum, dass eine Verlagsleistung nicht angemessen bezahlt werden sollte, sondern um die Tatsache, dass selbst die finanziell bestausgestattesten Bildungseinrichtungen der Welt, etwa die Harvard University, die immer weiter steigenden Kosten für wissenschaftliche Literatur nicht mehr tragen können.
Transparenz der Kosten
Die Wissenschaft fordert deshalb angemessene und transparente Preismodelle. Carlos Moedas etwa, ehemaliger EU-Kommissar für Forschung, Wissenschaft und Innovation, schlug bereits einen “europaweiten DEAL” und Verhandlungen mit Verlagen auf europäischer Ebene vor. Eine internationale Kooperation von Wissenschaftsinstitutionen bietet die Chance, den Verlagskonzernen entschlossen zu begegnen.
Wer mit der Selbstverwaltung der Wissenschaft vertraut ist, weiß aber auch, wie herausfordernd solche Ansätze sind. Denn mit dem Wandel hin zu Open Access stellen sich auch Fragen zur künftigen Finanzarchitektur.
Beim Modell der Artikelgebühren trifft die Diskussion um die Kostenverteilung, vor allem die publikationsstarken Forschungseinrichtungen. Diese Debatte darf jedoch nicht von den vielen Vorteilen des Open-Access-Publizierens ablenken. Denn: Jeder freie Artikel ist ein Gewinn für Wissenschaft. Und nicht nur die Forschung selbst profitiert immens. Auch Wissenstransfer, Innovationsfähigkeit und die Teilhabe werden durch Open Access gefördert.
Open Access fördert Fakten
Denn durch den offenen Zugang können Interessierte überall auf der Welt auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zugreifen – seien es Startup-Gründer:innen, Bürgerwissenschaftler:innen oder Patient:innen. Auch wenn die Lektüre akademischer Texte nicht immer leicht ist und deshalb weiterhin durch eine aktive Wissenschaftskommunikation begleitet werden muss, wirkt Open Access so doch in die Breite.
Die Covid-19-Pandemie hat die Forschung der Gesellschaft so nahe wie noch nie zuvor gebracht. Open Access bietet die Chance, dieses Zusammenwirken weiter zu stärken. Nur mit zugänglichen Fakten kann Populismus und Desinformation begegnet werden – Fakten auf die, dank Open Access, jeder Mensch einfach zugreifen kann.