Software für die automatisierte Produktentwicklung
Bild: Synera
Die Herausforderung
Die Entwicklungsabteilungen von Technikunternehmen stehen heute massiv unter Druck: In immer kürzerer Zeit sollen sie neuartige Produkte liefern. Gleichzeitig werden die Bauteile dafür jedoch immer komplexer – etwa weil sie auch digital steuerbar sein sollen, neuartige Materialien nutzen oder den Vorgaben des Klimaschutzes entsprechen müssen. Ingenieur:innen in der Produktentwicklung kämpfen deshalb mit sehr knappen Zeitbudgets: Etwa 80 Prozent ihres Arbeitstags verbringen sie mit immer wiederkehrenden Routineaufgaben. Denn der Entwurfsprozess im Maschinenbau ist bislang noch kaum automatisiert: Jedes Bauteil wird von Grund auf neu designt, konstruiert und getestet, meist von unterschiedlichen Abteilungen eines Unternehmens. In der Regel nutzen diese dabei keine einheitliche Software. Dies führt immer wieder zu Missverständnissen, Fehlern oder unnötigem Zeitverlust. Bis neue technische Produkte den Markt erreichen, vergehen deshalb oft viele Monate oder Jahre.
Unsere Lösung
Eine Ausgründung des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) hat eine Software entwickelt, die den Prozess der Produktentwicklung automatisiert. Das Programm bündelt dafür das Wissen aller beteiligten Mitarbeiter:innen, etwa über Rohstoffpreise, bereits vorliegende Produkttests oder die Umweltverträglichkeit einzelner Materialien. Es verknüpft zudem die einzelnen Schritte in der Produktentwicklung mit Hilfe von Low-Code: Arbeitsaufträge werden dabei auf dem Bildschirm als grafische Elemente dargestellt und lassen sich per Mausklick verbinden – im Hintergrund werden damit Algorithmen aktiviert, ohne dass die Nutzer:innen selbst über tiefgehende Programmierkenntnisse verfügen müssen. Das Programm erstellt so mit Hilfe aller Beteiligten nach und nach einen optimalen „Weg zum Produkt“, angepasst an die speziellen Bedürfnisse eines Unternehmens. Ändert sich nun ein Detail – sei es die Abmessung eines Bauelements, der Preis für ein Material oder das Material selbst – errechnet die Software automatisch, wie sich die Daten über den gesamten Prozessweg hinweg verändern. Das beschleunigt die Produktentwicklung erheblich: Erste Anwender berichten von einer Steigerung um bis zu 76 Prozent.
Entwickelt wurde die Plattform von der Bremer Firma Synera, ehemals Elise, einer Ausgründung des AWI, die seit 2018 aktiv ist. Das Start-up baut dabei auf die jahrelange Grundlagen- und Anwendungsforschung des AWI auf, geleistet von der Arbeitsgruppe Bionischer Leichtbau unter der Leitung von Christian Hamm.
Wie wir schon heute davon profitieren
Zahlreiche Unternehmen aus der Fahrzeug-, Luftfahrt- und Weltraumbranche nutzen die Automatisierungs-Software von Synera bereits, darunter zum Beispiel Airbus, VW oder MAN. Seit 2024 setzt zudem auch die US-Weltraumbehörde NASA auf das Programm. Die Firmen berichten von deutlichen Kosten- und Zeiteinsparungen. Reflex Aerospace etwa, Hersteller von Satelliten, konnte seine Entwurfs- und Lieferzeiten damit in einigen Projekten um 75 Prozent senken. Um Ingenieur:innen zusätzlich zu entlasten, bietet Synera auch KI-Agenten: Sie übernehmen zeitaufwändige Aufgaben wie Designanpassungen oder wiederholte mechanische Analysen – und das bei Bedarf auch rund um die Uhr, was die Produktentwicklung beschleunigt. Ingenieur:innen können diese Agenten zum Beispiel mit ihrem Fachwissen füttern und sie dann mit speziellen Entwurfs- oder Prüfaufgaben betrauen. Werden mehrere Agenten miteinander verknüpft, sind sie zudem zu Teamarbeit fähig. Hilfreich ist das zum Beispiel bei der Kostenkalkulation für eine Angebotsabgabe: Üblicherweise führen dafür die verschiedenen beteiligten Abteilungen eines Unternehmens Design- und Simulationsarbeiten aus, um Kostenabschätzungen abgeben zu können. Projektleiter:innen müssen daraus einen Gesamtbetrag errechnen. Zusammengeschaltete KI-Agenten liefern solche Daten binnen weniger Minuten.
Die Entwurf-Tools helfen Unternehmen zudem auch bei einem nachhaltigeren Umgang mit Materialien: Ingenieur:innen können damit zum Beispiel testen, wie leicht sie ihre Entwürfe konstruieren können, ohne damit deren Stabilität zu gefährden. Solche Bauteile sparen CO2 ein, da sie weniger Material verbrauchen. Da das Programm den gesamten Entwicklungsprozess eines Produkts überblickt, kann es aber auch Angaben zur Wiederverwendbarkeit eines Materials oder zu seinen Lieferketten machen. So sorgt die Software für Entwürfe, die nicht nur innovativ sind – sondern auch effizient und umweltverträglich.