Mit Satellitendaten Bodensenkungen überwachen
Bild: Andreas Piter
Die Herausforderung
Eingestürzte Brücken, abgesackte Felder, geborstene Pipelines: Bewegungen der Erdoberfläche können wichtige Infrastrukturen zerstören – und gefährden so auch Menschenleben. Im Sommer 2021 zum Beispiel kollabierte in der US-amerikanischen Großstadt Miami überraschend ein zwölfstöckiges Apartmenthaus, 98 Bewohner:innen starben. Zu Schäden oder Einstürzen an Gebäuden können ganz unterschiedliche Faktoren führen, etwa Baumängel oder auch der Klimawandel, weil er Böden austrocknet und rissig werden lässt. Weniger bekannt ist ein weiteres Phänomen, das die Stabilität von Gebäuden gefährdet: die Subsidenz. So bezeichnen Geolog:innen Senkungen des Erdreichs. Sie können lokal überall auf der Welt auftreten: Im Iran etwa senkt sich der Untergrund in einigen Provinzen um bis zu 35 Zentimeter pro Jahr, in Mexiko um bis zu 30 Zentimeter. Besonders betroffen sind auch Küstenstädte wie Jakarta oder Shanghai. Natürlicherweise sorgen tektonische Verschiebungen für die Absenkungen. Dazu kommen aber immer stärker menschengemachte Ursachen, etwa eine zu starke Entnahme von Grundwasser. In Städten kommt dazu noch das enorme Gewicht der Gebäude, das auf dem Boden lastet. In der Folge klaffen Löcher im Asphalt von Straßen, Erdspalten tun sich überraschend auf, Häuser geraten in Schieflage. Bislang fehlt ein System, mit dem Behörden derartige Bodensenkungen unkompliziert systematisch überwachen können.
Unsere Lösung
Hilfe bei der Suche nach gefährlichen Senken im Erdreich kommt aus dem All: Forscher:innen der Leibniz Universität Hannover und des GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung koppeln dafür Satellitendaten in einer neuartigen Software. SARvey heißt das von ihnen entwickelte Programm, das sie öffentlich und kostenlos zur Verfügung stellen. Der Software liegt die so genannte Radar-Interferometrie InSAR (Interferometric Synthetic Aperture Radar) zugrunde: Testgebiete werden dabei aus verschiedenen Perspektiven abgebildet. So sind auch dreidimensionale Analysen möglich. Mit SARvey können Radarbilder ausgewertet werden, um die Stabilität von kritischen Infrastrukturen wie Gebäuden, Dämmen und Verkehrsnetzwerken zu prüfen. Die Software ist dabei so konzipiert, dass auch Katastrophenschutzbehörden und Ingenieur:innen einfach auf frei verfügbare Satellitendaten zugreifen können. SARvey nutzt für diesen Service Radarbilder, die Fernerkundungssatelliten wie Sentinel-1 oder TerraSAR-X im Laufe mehrerer Jahre aufgenommen haben. Durch diese Bildarchive lassen sich Bodenbewegungen im Rückblick dokumentieren und nachvollziehen. Gleichzeitig ist die Radarinterferometrie in ihrer Messung so sensitiv, dass sich Verschiebungen im Zentimeter- und sogar Millimeterbereich erfassen lassen. Maßgeblich entwickelt wurde SARvey von Andreas Piter, Doktorand von GFZ-Forscher Mahdi Motagh an der Leibniz Universität Hannover.
Wie wir schon heute davon profitieren
Erstmals kam SARvey an der Küste von Miami zum Einsatz: Dort konnte ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des GFZ nachweisen, dass 35 Hochhäuser von Subsidenz betroffen sind. Das ergab die Analyse von Radar-Signalen, die an markanten Objekten wie Balkonen, Klimaanlagen und Gehwegen zu einem Satelliten in etwa 700 Kilometer Höhe zurückstreuten. Nun diskutiert die Stadt, wie sich die betroffenen Gebäude enger überwachen lassen. Für die Studie analysierte das Forschungsteam mit der Software SARvey mehr als 300 Datensätze mit Satellitenbildern aus den Jahren 2016 bis 2023. Dabei zeigte sich, dass sich der sandige Untergrund von Miami unter der Last der Hochhäuser verformt – anders als bislang angenommen auch noch Jahre nach Abschluss von Bauarbeiten, erläutert Mahdi Motagh, Arbeitsgruppenleiter in der GFZ-Sektion „Fernerkundung und Geoinformatik“ und Ko-Autor der Studie. Er will mit der Open-Source-Software nun auch Bauwerke in Deutschland prüfen – etwa Brücken, Straßen und Gleisbettanlagen.