Helmholtz Juniors
Zur Zukunft der Wissenschaft
Nach den Diskussionen um die dubiosen Geschäftspraktiken von Raubverlegern und 'predatory journals' haben wir mit Nachwuchs-Talenten aus der Helmholtz-Gemeinschaft darüber gesprochen, welche Ideen sie zum Umgang mit diesen unseriösen Angeboten haben.
Diesen Sommer wurde über die Geschäftspraktiken so genannter Raubverlage medial in größerem Umfang berichtet. Anlass war, dass sich einige Forscher mit Veröffentlichungen ohne Begutachtungsprozess und dem Besuch wertloser Konferenzen am System dieser "Predatory Publishers" beteiligt hatten. Die Kritik aus Wissenschaft und Gesellschaft war groß. Doch wo und wie muss sich das Wissenschaftssystem ändern?
Wir haben sieben Nachwuchsforscher aus der Helmholtz-Gemeinschaft dazu befragt: Wie soll zukünftig mit Forschungsdaten und Software umgegangen werden? Wie muss sich der Publikations- und Begutachtungsprozess verändern? Wie steht es um die Offenheit und Transparenz der wissenschaftlichen Ergebnisse für die Öffentlichkeit? Und wie können Bürger sogar selbst am Forschungsprozess teilhaben? Die "Helmholtz Juniors" geben Antwort.
Kevin Becker, HZI
Über "Open Access" zu Wissen und Ergebnissen
"Wissenschaftlicher Fortschritt verlangt sowohl intensiven Austausch zwischen Wissenschaftlern, als auch Dialog mit der Gesellschaft. Deshalb müssen Publikationen jederzeit kostenlos global verfügbar sein. Dies beinhaltet Rohdaten, Software, aber auch negative Ergebnisse. Derzeit steht die Wissenschaft vor der Herausforderung unnötig durchgeführter Experimente aufgrund der Unzugänglichkeit von Daten, aber mehr noch vor der großen Problematik nicht-reproduzierbarer Ergebnisse. Diese Probleme werden adressiert, wenn wir ein System öffentlich zugänglicher Forschung haben. Aktuelle Bemühungen des deutschen DEAL-Konsortiums zielen darauf ab, eine generelle open-access-Politik für Deutschland zu etablieren. Dies stellt einen wichtigen Schritt in Richtung weltweiter open science dar."
Daphnie Galvez, AWI
Über die notwendige Transparenz im Begutachtungsprozess von Fachzeitschriften
"Wenn wir wollen, dass Wissenschaftler Fachartikel für die Öffentlichkeit publizieren, sollten wir einen Weg finden, sie dazu zu ermutigen. Beispielsweise könnten die Fachzeitschriften es den Wissenschaftlern ermöglichen, den Status ihres eingereichten Manuskripts online einzusehen. Denn es kann Monate dauern, bis Journale einen Artikel zur Überarbeitung zurückschicken, was den Wissenschaftler in seinen Publikationsmöglichkeiten einschränkt. Das hält manche Wissenschaftler davon ab, ihre Beiträge bei Fachzeitschriften mit Peer-Review-Verfahren einzureichen; sie verlegen sich eher auf andere Medien, in denen sie ihr Wissen unkompliziert weitergeben können – oder verzichten gänzlich auf eine Veröffentlichung."
José Cruces, GFZ
Über Raubjournale
"In den vergangenen Jahren versuchten sogenannte 'Raubjournale' ('Predatory Journals') immer stärker Wissenschaftler dazu zu gewinnen, bei ihnen zu publizieren. Doch diese vermeintlichen Fachjournale bieten meist nur völlig unzureichende Qualitätsmaßnahmen. Seriöse Publikationsorte sind sie nicht. Vielmehr schädigen sie die gesamte Wissenschaft und das Vertrauen in sie. Veröffentlichungen in solchen Medien, in denen möglicherweise Beiträge aus verschiedenen Forschungsbereichen zusammengefasst werden oder auf ein ordentliches Begutachtungsverfahren verzichtet wird, können dazu führen, dass Ergebnisse aus dem Zusammenhang gerissen werden. Traditionelle Publikationswege müssen deshalb weiter verbessert werden. Wir müssen Möglichkeiten auftun, ein breiteres Publikum zu erreichen, etwa, indem wir unsere Forschung frei zugänglich machen und international kooperieren."
Lennart Bock, IPP MPG
Über öffentliche Forschung und Zugänglichkeit
"Grundlagenforschung ist zumeist staatlich finanziert. Die dabei gewonnenen neuen Erkenntnisse werden in Form von Publikationen, die oft nur in kostenpflichtigen Fachzeitschriften eingesehen werden können, öffentlich gemacht. Ein einfacher Zugriff auf dieses Wissen, das mithilfe öffentlicher Gelder generiert wurde, bleibt der Öffentlichkeit somit versagt. Es gibt heute einen starken Trend hin zu Open-Access-Zeitschriften, die in der Zukunft hoffentlich allen, die ihr Wissen vertiefen wollen, Zugang zu hochaktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen gewähren werden. Besonders in Zeiten, da die Wissenschaft immer wieder infrage gestellt wird, kann dieser Ansatz mehr Vertrauen schaffen und dazu beitragen, eine Brücke zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu schlagen."
Isabelle Everlien, DKFZ
Über Reformen im Bereich"Peer Reviewing"
"Der wissenschaftliche Fortschritt beruht auf der Zugänglichkeit von unvoreingenommenen Informationen und reproduzierbaren Daten. Heutzutage konzentriert sich die Veröffentlichung akademischer Forschung oft auf Studien mit positiven Ergebnissen, obwohl negative Ergebnisse ebenso wichtig für einen effizienten wissenschaftlichen Fortschritt sind. Einige Zeitschriften und Open-Access-Plattformen wie BioRxiv ermöglichen es Forschern, auch negative Ergebnisse öffentlich verfügbar zu machen, jedoch mit geringer Sichtbarkeit oder begrenztem Peer-Review. Ein Paradigmenwechsel im wissenschaftlichen Publizieren, der die Akzeptanz und Verfügbarkeit von Studien unabhängig von ihrem Ergebnis fördert und gleichzeitig eine qualitativ hochwertige Forschung gewährleistet, wäre wünschenswert."
Lukas Rudischhauser, IPP MPG
Über den Zugang zu Daten und Software
"Eine Grundforderung der Wissenschaft ist es, dass Experimente unabhängig wiederholbar sein müssen, damit Theorien falsifiziert werden können. Mit der Verwendung immer größerer Datenmengen und komplexer Auswertungsmethoden wird das zunehmend unmöglich. Der Publikationsprozess muss sicherstellen, dass verwendete Rohdaten und Codes verwahrt und zugänglich gemacht werden können und dabei der Schutz von Daten und Urheberrecht gewahrt wird. Damit der Prozess der Selbstkorrektur funktioniert, muss Wiederholung geschätzt und belohnt werden."
Stephanie Taylor, DZNE
Über Citizen Science und Kooperationsprojekte
"Als Wissenschaftler wollen wir erklären und verstehen. Das geht aber auch vielen Bürgern so, die nicht wissenschaftlich arbeiten. Dieses Interesse der Öffentlichkeit an der Wissenschaft hat für beide Seiten Vorteile. Citizen-Science-Initiativen tragen einerseits dazu bei, Wissenschaft zu stärken, wenn etwa große Freiwilligennetzwerke die Wissenschaftler bei Aufgaben unterstützen, die sich sonst nur sehr zeitaufwendig und kostspielig umsetzen ließen. Die Einbindung in Projekte und die Zusammenarbeit mit Forschern bietet 'Bürgerwissenschaftlern' andererseits die Möglichkeit, an wissenschaftlicher Arbeit teilzuhaben und eine eigene Perspektiven einzubringen. Dieses Miteinander ist damit bereichernd für beide Seiten - und stärkt darüber hinaus das gegenseitige Verständnis."
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