Industrial Research Fellow
„Wir schaffen das nur, wenn Industrie und Forschung eng zusammenarbeiten“

Dr. Denzil Moodley wird am HZB seine Expertise einbringen, mit dem Ziel, den Innovationszyklus für nachhaltige Kraftstofftechnologien mit Fokus auf den Luftfahrtsektor zu beschleunigen. Bild: Sasol
Das Helmholtz-Zentrum Berlin geht neue Wege der Kooperation mit der Industrie. In einem Industrial Research Fellowship kommt ein Chemiker des südafrikanischen Unternehmens Sasol an Bord, der federführend an der Entwicklung eines Katalysators für nachhaltigen Flugzeug-Treibstoff beteiligt ist.
Für Besucher bereitet Denzil Moodley gern eine bewährte Attraktion vor: Ein paar Tröpfchen Flüssigkeit zeigt er ihnen, eines der bisherigen Ergebnisse seiner Forschung. Care-o-Sene heißt das Projekt, an dem der Chemiker beteiligt ist; er arbeitet beim südafrikanischen Chemie-Riesen Sasol, der gemeinsam mit dem Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB), dem Karlsruher Institut für Technology (KIT) und weiteren Partnern aus Industrie und Wissenschaft ein Verfahren entwickelt, um einen Katalysator herzustellen, mit dem klimaneutraler Treibstoff für Flugzeuge produziert werden kann. Moodley hält ein Gefäß in die Luft: „Es ist immer schön, wenn man dieses kleine Fläschchen mit Kerosin herumzeigen kann, das mit unserem neuen Katalysator gewonnen wurde!“
Es geht um ein denkbar ehrgeiziges Ziel: ein Verfahren, mit dem aus den Grundstoffen CO2 und grünem Wasserstoff Flugbenzin in großem Maßstab entsteht. Die sieben Projektpartner aus Deutschland und Südafrika wollen Katalysatoren für einen entscheidenden Schritt in diesem Verfahren entwickeln, den Fischer-Tropsch-Prozess. Diese Katalysatoren sind bei der großangelegten Produktion von grünem Kerosin entscheidend: Sogenannte Sustainable Aviation Fuels (SAF) lassen sich umso effizienter herstellen, je ausgeklügelter die Katalysatoren sind. Beim Fischer-Tropsch-Verfahren, das seit Jahrzehnten bekannt ist, wird aus Kohlendioxid ein Synthesegas gewonnen, aus dem sich beispielsweise synthetische Kraftstoffe herstellen lassen. Dazu wird sehr viel Energie benötigt – der Wirkungsgrad allerdings lässt sich durch einen optimierten Katalysator deutlich verbessern. Genau das ist das Ziel von Care-o-Sene – einem südafrikanisch-deutschen Gemeinschaftsprojekt, das vom BMBF gefördert wird.
Denzil Moodley hat dabei eine Schlüsselrolle. Mit seiner Arbeitsgruppe ist er dafür zuständig, das Verfahren zu skalieren auf eine halb-industrielle Größenordnung – aus dem kleinen Fläschchen Treibstoff sollen tausende Liter werden. „Wir schaffen das nur, wenn Industrie und Forschung eng zusammenarbeiten“, sagt Denzil Moodley, „jeder hat seine ganz eigenen Methoden und Stärken, die wir in unserem Projekt kombinieren.“ Er selbst geht jetzt einen ganz neuen Weg, um die Partnerschaft zu vertiefen: Als Industrial Research Fellow schaut er nun genauer hinter die Kulissen des HZB und bringt seinerseits die Perspektive der Industrie mit ein. „Normalerweise kümmert man sich um seine eigenen Themen und hat dann noch ein paar Interaktionen mit den Projektpartnern“, sagt Denzil Moodley. „Durch das Fellowship können wir jetzt die Beziehungen, die wir aufgebaut haben, auf ein höheres Level heben. Wir haben mehr Gespräche, mehr Interaktion, mehr gemeinsame Planung.“
„In einem ersten Schritt haben wir vier verschiedene Katalysatoren in den Blick gefasst – manche sind schon fortgeschritten, andere, die zwar eine noch höhere Effizienz versprechen, müssen erst noch weiterentwickelt werden“, erläutert Denzel Moodley. Die südafrikanische Firma Sasol, für die er arbeitet, hat jahrzehntelange Erfahrung mit der Fischer-Tropsch-Technologie und eine gut aufgestellte Entwicklungsabteilung für Katalysatoren – aber die Verbindung mit dem HZB eröffnet neue Möglichkeiten: „Wir haben in Südafrika keinen Zugang zu einem Synchrotron“, sagt Moodley. „Üblicherweise setzen wir einen Katalysator ein, lassen die Reaktion ablaufen und analysieren anschließend den Katalysator – post mortem, wie wir das nennen.. Dank des HZB können wir ihn aber direkt während der Reaktion beobachten.“ Damit können die Forscher viel besser erkennen, an welchen Stellen sich etwas optimieren lässt.
Das Foto zeigt den Sasol-Standort Sasolburg in Südafrika. Im Vordergrund ist der riesige, 60 Meter hohe FTDR (Fischer-Tropsch Design Reactor) zu sehen. Dieser Reaktor wurde für halbkommerzielle Tests eines der vergrößerten CARE-O-SENE-Katalysatoren verwendet. Er hat eine Kapazität von 300 Barrel/Tag. Bild: Sansol
Eine Besonderheit von Care-o-Sene ist die Geschwindigkeit, mit der die Forschung stattfindet: Während eine Arbeitsgruppe mögliche Katalysatoren charakterisiert, beginnt ein anderes Team bereits mit einer technologisch-wirtschaftlichen Prüfung der Stoffe. Und wieder andere Forscher überlegen, wie sich die Katalysatoren nach ihrer Verwendung aufbereiten lassen, schließlich sind teure Materialien im Einsatz. Alle diese Aspekte werden wie ein riesiges Puzzle zusammengesetzt. Denzil Moodleys Aufgabe bei diesem Puzzle ist die Skalierung – wie also lässt sich ein Katalysator in großem Maßstab herstellen und einsetzen? Die Frage ist alles andere als trivial: „Wenn Sie sich den Katalysator unter einem Mikroskop anschauen, stellen Sie fest, dass die aktiven Partikel winzig klein sind, wir reden von sechs bis zehn Nanometern“, sagt er. „Wenn Sie im Labor in einem Reagenzglas mit kleinen Mengen arbeiten, ist das etwas völlig anderes als in einer industriellen Anlage, wo es um Tonnen von Material geht und die Fischer-Tropsch-Reaktoren auf einmal 20 oder sogar 50 Meter hoch sind. Wie verhalten sich also diese winzigen Partikel in einer hydrodynamisch ganz anderen Umgebung, in der tonnenweise Material miteinander reagiert?“
Dass im Care-o-Sene-Projekt die Geschwindigkeit der Innovationen so hoch ist, bietet einerseits einen entscheidenden Vorteil, denn die Nachfrage nach klimaneutralem Kerosin ist gewaltig – und mit weiter steigenden Passagier-Zahlen in der Luftfahrt wird das Thema immer relevanter. Andererseits ist das Tempo eine Herausforderung für die beteiligten Forscher; eine enge Abstimmung über Kontinente hinweg wird zum zentralen Erfolgskriterium.
An dieser Stelle setzt das Fellowship an, über das Denzil Moodley jetzt näher ans HZB heranrückt. Mehr Verständnis für die Arbeit der beteiligten Partner zu gewinnen und durch einen engen Austausch gemeinsam auf neue Ideen zu kommen – das sind die Hintergedanken der Initiatoren. Wie hoch die Erwartungen an dieses neuartige Fellowship-Programm sind, machen die Äußerungen der beteiligten Partner deutlich: „Damit bekräftigen wir unser Engagement für die Förderung wirkungsvoller Partnerschaften, die die Lücke zwischen Forschung und Industrie schließen“, sagt Bernd Rech, der wissenschaftliche Direktor des HZB. Und Theo Mudzunga, Vizepräsident für Forschung und Technologie bei Sasol, betont: „Partnerschaften zwischen Industrie und Forschung sind unerlässlich, um Innovationen in dem Tempo und in dem Umfang voranzutreiben, die zur Bewältigung globaler Herausforderungen erforderlich sind.“
Wie dieses Voneinander-Lernen im Alltag aussieht, hat Denzil Moodley inzwischen ausprobiert. Mehr Zeit zu haben, sich mit den Diskussionen und den Feinheiten in der Arbeit der Berliner Kollegen auseinanderzusetzen – das schätzt er besonders. Und: Der Austausch mit den Doktoranden und Post-Docs am HZB habe sich als wertvoll erwiesen. „Wenn einer von ihnen zum Beispiel ein Experiment mit einem bestimmten Modell-Katalysator vornimmt, dann diskutieren wir darüber, wie nah das Experiment an den realistischen Bedingungen ist, die später in der Produktion erfüllt werden müssen“, erklärt Denzil Moodley. Die jungen Wissenschaftler hätten im Projekt einen exakt definierten Zuständigkeitsbereich – und er könne ihnen dabei helfen, das größere Bild zusammenzusetzen und zu verstehen, an welcher Stelle im gesamten Projekt ihre Aufgabe eine wichtige Rolle spielt.
Eine Fortsetzung des Fellowship-Programms hält Denzil Moodley für gut möglich. Interesse bei Kollegen aus seiner Firma hat er jedenfalls schon registriert – „wenn wir jetzt auf beiden Seiten gute Erfahrungen machen“, sagt er, „dann gibt es sicherlich Möglichkeiten, sie auf andere Forscher, andere Projekte zu übertragen!“
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